Der Schmerz sitzt tief in der Brust, schnürt die Kehle zu und nimmt die Luft zum Atmen. Im Magen macht sich ein flaues Gefühl breit. Ich merke: Mir geht es nicht gut und eigentlich ist mir zum Heulen zumute. Doch die Tränen wollen einfach nicht kommen. Warum kann ich nicht weinen? Selbst dann nicht, wenn ich traurig bin? Erst in der Psychotherapie ist der Damm gebrochen. Damit auch du endlich weinen kannst, verrate ich dir, welche Gründe dich davon abhalten und was mir geholfen hat.
Unsere Autorin Anna Chiara setzt sich ehrenamtlich als Erfahrungsexpertin für die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen ein und klärt über Themen rund um mentale Gesundheit und Resilienz auf.
Warum kann ich nicht weinen?
Weinen ist wichtig
Tränen sind natürlich und vor allem menschlich. Dennoch setzt unsere Gesellschaft das Weinen noch immer mit Schwäche gleich. Vielleicht verstecken wir uns deshalb hinter unseren Händen, wenn die Tränen das Gesicht herunterlaufen – aus Scham.
Dabei offenbaren Tränen keine Schwäche, sondern schlichtweg Verletzlichkeit. Sich dessen bewusst zu machen, ist der erste, wichtige Schritt. Denn nur, wenn du zu deinen inneren Gefühlen stehst, wirst du sie äußerlich auch zeigen können.
Daraus ergibt sich auch, weshalb das Weinen für uns Menschen so wichtig ist. Es verbindet uns mit unseren tiefsten Emotionen, hilft, sie zu verarbeiten und ist unglaublich entlastend. Nicht mehr weinen zu können, kann demnach sehr belastend sein.
Lesetipp: Tränen sind der Ausdruck ureigener Gefühle und sind ein wichtiges Kommunikationsmittel. So können andere deine Emotionen besser lesen. Denn die Gründe, warum Menschen weinen, können unterschiedlicher nicht sein.
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Warum kann ich nicht weinen? 3 Gründe
Die Tränenflüssigkeit ist leer oder dein Kontingent an Tränen für den verflossenen Exfreund ist aufgebraucht? So einfach ist es leider nicht. Meist ist die Ursache dafür, dass du nicht mehr weinen kannst, psychischer Natur.
1. Du unterdrückst deine Gefühle
Als ich mich damals fragte „Warum kann ich nicht weinen?“ war klar, dass ich unbewusst bestimmte Gefühle unterdrücke. Wie der Focus erklärt, tendieren wir häufig dazu, ein Bild von uns selbst aufrechterhalten zu wollen und tun uns schwer damit, vor anderen Menschen die Fassung zu verlieren. Würden wir weinen, bräche diese selbst kreierte Fassade entzwei.
2. Als Kind wurdest du ausgelacht
Die Antwort auf die Frage „Warum kann ich nicht weinen“ könnte in deiner Kindheit, genauer gesagt in der Erziehung deiner Eltern liegen. Wurdest du als Kind ausgelacht, wenn du geweint hast? Dann hast du womöglich früh gelernt, deine Gefühle zu verstecken oder herunterzuschlucken, so die Seelenschreiberei. Häufig bekommen wir eingetrichtert, dass das Weinen schlecht ist und hören Sätze wie „Hör doch mal auf zu weinen“ oder „Nicht weinen!“, was dazu führt, dass wir auch im Erwachsenenalter die Tränen zurückhalten.
3. Eine psychische Erkrankung
Auch psychische Krankheiten wie Depressionen können dazu führen, dass Betroffene den Zugang zu ihren Gefühlen verlieren, sich leer oder abgestumpft fühlen und nicht mehr weinen können. Laut der Havard Health kann auch ein Trauma der Grund sein, dass deine Tränen zurückgehalten werden. In diesem Fall solltest du dir unbedingt psychotherapeutische Hilfe suchen, um wieder zu dir selbst zu finden.
Anmerkung: Es muss nicht unbedingt krankhaft sein, wenn du bei emotionalen Erlebnissen nicht weinst. Nicht alle Menschen sind so sensibel und kanalisieren ihre Gefühle auf unterschiedlichste Weise.
Tränenreiche Tipps: Wie du endlich wieder weinen kannst
Mein persönlicher Rat: geh zur Therapie. Ja, das meine ich ernst. Ich weiß, einen Platz zu finden, ist beinah unmöglich. Doch zeitnahe Erstgespräche stehen dir in jedem Fall zu. Der Austausch kann dir helfen, den Zugang zu deinen Emotionen wiederzufinden. Es ist als würdest du in einen Spiegel schauen und dein inneres Selbst betrachten. Begegne allen Gefühlen, die dabei in dir aufkommen, offen und beurteile (und vor allem verurteile) sie nicht. Akzeptiere sie und nehme sie an.
Das ist dir zu viel und du möchtest lieber allein sein? Dann probiere die folgenden Tipps ganz bequem zu Hause aus:
Schaff dir einen Safe-Space
Vor anderen Menschen zu weinen, ist für viele schwer und unangenehm. Verkrieche dich lieber in dein Bett oder verschanze dich im Auto – suche dir einen Ort, an dem du dich wohlfühlst und wo du eine Weile ungestört bist. Sobald du dich fallen lassen kannst, werden auch deine Gefühle wieder greifbar.
Musik an, Welt aus
Als ich vor der Frage stand „Warum kann ich nicht weinen?“, fand ich die Antwort in der Musik. Kopfhörer rein, Liebeslieder an und die Tränen liefen und liefen. Auch emotionale Filme oder Bücher können dir helfen, deine Tränen anzustoßen, sodass du dich der Traurigkeit komplett hingeben kannst. Du wirst merken: Danach geht es dir besser und du fühlst dich befreit.
Stift statt Taschentuch
Wenn das mit dem Weinen nicht klappt – no worries! Manchmal reichen auch einfach nur ein Stift und ein Blatt, auf dem du alles niederschreiben kannst, was dir durch den Kopf geht. So sortierst du deine Gedanken und verarbeitest deine Gefühle sowie die Geschehnisse der letzten Zeit. Und vielleicht tropft dabei sogar die ein oder andere Träne aufs Papier.