Häusliche Gewalt ist ein Thema, über das viele nicht sprechen möchten – und doch passiert sie viel häufiger, als man denkt. Was kannst du tun, wenn du in deiner Nachbarschaft, im Freundes- oder Bekanntenkreis Anzeichen dafür bemerkst? Die Expertin der SOS-Kinderdörfer Claudia Zampolin erklärt im Interview mit wmn.de, wie du richtig handelst und warum es wichtig ist, nicht wegzusehen. Im Video siehst du das Interview in voller Länge.
„Alle Menschen haben ein Recht auf Schutz vor Gewalt“
Claudia Zampolin betont, wie wichtig es sei, dass Gewalt als gesellschaftliches Problem wahrgenommen würde, da die Zahlen stiegen. Jedes Jahr. Jede und jeder sei gefragt, aufmerksam zu sein und zu helfen. Außerdem sollten Unterstützungsangebote sichtbarer gemacht werden, z. B. durch Aushänge mit Notrufnummern in öffentlichen Gebäuden oder auf Lebensmittelpackungen.
Wichtig sei auch zu verstehen, dass Betroffene nie die Schuld an der Gewalt trügen. Die Verantwortung läge immer bei der Person, die die Gewalt ausübe. Hilfe gäbe es anonym und rund um die Uhr – niemand müsse allein bleiben.
SOS-Kinderdörfer: Helfen in Notsituationen
Die SOS-Kinderdörfer sind seit Jahrzehnten eine Anlaufstelle für Familien in Not. Ursprünglich gegründet, um Kindern ohne Eltern ein Zuhause zu geben, engagieren sie sich heute auch in der Prävention und Unterstützung bei Gewalt und Missbrauch.
Die Expertin der SOS-Kinderdörfer betont: „Je mehr Menschen davon erfahren, dass es Hilfe und Unterstützungsmöglichkeiten gibt und dass Gewalt verboten und strafbar ist, umso mehr Menschen trauen sich auch, Hilfe und Unterstützung zu holen.“
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Angebote der SOS-Kinderdörfer
Die SOS-Kinderdörfer bieten Beratung und Unterstützung, wie psychologische und pädagogische Hilfe für Betroffene von häuslicher Gewalt. Sie bieten Schutzräume, zum Beispiel wenn die Situation eskaliert, stellen sichere Unterkünfte für gefährdete Kinder und Eltern zur Verfügung. Sie bieten aber auch Präventionsarbeit wie Schulungen und Workshops, um Gewalt vorzubeugen und das Bewusstsein in der Gesellschaft zu stärken.
- SOS-Kinderdorf betreut deutschlandweit 38 Einrichtungen, die Kindern, Jugendlichen und Familien in schwierigen Lebenssituationen helfen.
- Es gibt Kinderdorf-Familien, in denen Kinder in einem familienähnlichen Umfeld mit einer Kinderdorf-Mutter oder einem -Vater leben, sowie Wohngruppen, die von Fachkräften betreut werden.
- Beratungsstellen bieten niedrigschwellige Unterstützung für Familien, Kinder und Jugendliche, die häusliche Gewalt oder andere Krisen erleben.
Zugangswege zur Hilfe
- Direkte Anfragen von Familien: Familien, die überfordert sind oder Gewalt in ihrer Familie erleben, wenden sich häufig an das Jugendamt. Gemeinsam mit SOS-Kinderdorf werden individuelle Lösungen gesucht.
- Dritte melden Gewalt: Nachbarn, Lehrer oder Freunde können sich an das Jugendamt wenden, wenn sie Anzeichen von Gewalt beobachten. Polizei und Jugendämter arbeiten eng zusammen, um den Schutz der Kinder sicherzustellen.
Häusliche Gewalt: Formen und Folgen
Gewalt kann körperlich, psychisch oder sexualisiert sein. Oft treten diese Formen gemeinsam auf. Kinder leiden besonders, auch, wenn sie Zeugen von Gewalt zwischen Elternteilen sind. Die Folgen sind weitreichend: von psychischen Belastungen wie Angst und Depressionen bis hin zu körperlichen Langzeitfolgen.
Wie erkennst du häusliche Gewalt?
Oft sind die Anzeichen subtil, und Betroffene verstecken ihre Situation aus Angst oder Scham. Mögliche Warnsignale können folgende sein:
- Verändertes Verhalten: Ein Kind, eine Freundin oder Nachbarin wirkt plötzlich verschlossen oder zurückgezogen.
- Übermäßige Kontrolle: Ein Partner überwacht ständig das Verhalten seines Gegenübers.
- Äußerliche Verletzungen: Erklärungen für äußerliche Verletzungen wirken unglaubwürdig.
Das kannst du tun, wenn du häusliche Gewalt vermutest
- Ansprechen: Betroffene in einem sicheren Moment sensibel und ohne Druck ansprechen, Hilfe anbieten und ihre Gefühle ernst nehmen. Signalisiere, dass du da bist, falls die Person reden möchte. Vermeide Vorwürfe oder direkte Vermutungen, da dies die Situation verschlimmern könnte.
- Beratung suchen/Unterstützung holen: Kontakt zu Beratungsstellen oder Hotlines (z. B. das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: 08000 116 016) aufnehmen, um das weitere Vorgehen zu klären.
- Polizei oder Jugendamt einschalten: Bei akuter Gefahr oder erkennbaren Missbrauchsanzeichen, solltest du sofort handeln.
Wenn du das Gefühl hast, dass jemand in deinem Umfeld betroffen sein könnte, ist es wichtig, sensibel und bedacht, aber in jedem Fall überhaupt zu reagieren.
„Mutig sein, sich Hilfe holen und häufiger ansprechen, als man denkt“, betont Claudia Zampolin.
Warum Schweigen keine Option ist
Häusliche Gewalt endet selten von selbst – oft braucht es Hilfe von außen. Auch wenn es unangenehm sein mag, deine Vermutung auszusprechen oder Hilfe zu holen, kannst du damit jemandem das Leben retten. Jede und jeder kann einen Beitrag leisten, um das Thema aus der Tabuzone zu holen.
SOS-Kinderdörfer: So kannst du unterstützen
Die Arbeit der SOS-Kinderdörfer in Deutschland ist unverzichtbar. Mit deiner Spende oder deinem ehrenamtlichen Engagement kannst du dazu beitragen, dass Familien in Krisen schnelle Hilfe erhalten. Informiere dich auf der offiziellen Webseite über ihre Arbeit: www.sos-kinderdorf.de. Hier kannst du direkt spenden oder eine Patenschaft übernehmen.
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