Krankschreibungen sorgen immer wieder für Unsicherheiten im Arbeitsverhältnis. Doch wie weit dürfen Arbeitgebende tatsächlich gehen, wenn sie Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeitenden hegen? Was rechtlich erlaubt ist und welche Maßnahmen Arbeitgebende ergreifen können, wenn sie glauben, dass eine Krankheit vorgetäuscht ist.
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Wann Zweifel an der Krankschreibung aufkommen
In den meisten Fällen entstehen Zweifel an einer Krankschreibung nicht durch handfeste Beweise, sondern vielleicht dann, wenn sich Krankheitstage häufen oder diese regelmäßig an Brückentagen oder nach dem Wochenende auftreten. Doch selbst wenn Mitarbeitende beim Sport oder auf einer Feier gesichtet werden, reicht das allein nicht aus, um eine Krankschreibung infrage zu stellen.
Der Grund: Arbeitnehmende dürfen im Krankheitsfall all jene Tätigkeiten ausüben, die ihrer Genesung nicht entgegenstehen. So ist beispielsweise ein Spaziergang oder das Erledigen von Einkäufen völlig unbedenklich, solange es die Genesung nicht verzögert. Daher ist es für den Arbeitgebenden oft schwierig, den Verdacht auf eine vorgetäuschte Krankheit zu beweisen. Bevor vorschnell Schritte unternommen werden, sollten Arbeitgebende das Gespräch mit den betroffenen Mitarbeitenden suchen, um Missverständnisse zu klären.
Beweislast liegt beim Arbeitgeber: Was muss er nachweisen?
Arbeitgebende stehen vor einem Problem, wenn sie den Verdacht hegen, dass eine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht ist. Sie tragen die Beweislast und müssen nachweisen, dass ernsthafte Zweifel an der Krankschreibung bestehen. Das ist oft schwierig, da dem Arbeitgebenden keine Diagnosen vorliegen und der Grund der Arbeitsunfähigkeit in der Regel unbekannt ist.
Gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist der Arbeitnehmende verpflichtet, den Arbeitgebenden unverzüglich über die Dauer der Krankheit zu informieren. Eine ärztliche Bescheinigung ist jedoch erst nach drei Tagen erforderlich – es sei denn, der Arbeitgeber verlangt diese früher. Kommt der Arbeitnehmende dieser Aufforderung nicht nach, kann der Arbeitgebende die Entgeltfortzahlung verweigern.
Hausbesuche und Kontrollen: Was ist erlaubt?
In Ausnahmefällen kann der Arbeitgebende auch Maßnahmen ergreifen, um seine Zweifel zu klären. Ein Hausbesuch des Arbeitgebenden ist theoretisch möglich, jedoch keine Pflicht für den Arbeitnehmenden, diesen zu empfangen. Außerdem müssen die gesetzlichen Vorgaben beachtet werden: Arbeitnehmende dürfen sich während einer Krankschreibung durchaus frei bewegen, solange sie nichts tun, was ihre Genesung gefährden könnte. Daher liefern solche Besuche selten ausreichend Beweismaterial.
Frühere Vorlage der AU-Bescheinigung: Ein erster Schritt
Um Misstrauen entgegenzuwirken, können Arbeitgebende die frühzeitige Vorlage einer Krankschreibung verlangen. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmende die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Krankheitstag vorlegen muss. Verweigert der Mitarbeitende diese, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Lohnfortzahlung zu stoppen.
Zweifel an der Krankschreibung: Das sagt das Bundesarbeitsgericht
Sollte der Arbeitgebende Zweifel an der Echtheit einer Krankschreibung haben, braucht es mehr als nur ein ungutes Gefühl. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verlangt konkrete Anhaltspunkte, um den Beweiswert einer Krankschreibung zu erschüttern. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn Arbeitnehmende genau am Tag ihrer Kündigung krankgeschrieben werden und die Krankmeldung genau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses dauert.
Mehr Details zu Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts findest du hier.
Weitere Gründe für berechtigte Zweifel können sein, dass die Krankschreibung nach einem Streit im Unternehmen erfolgt oder von einem/r Arzt:in ausgestellt wurde, der/die durch eine ungewöhnlich hohe Zahl an ausgestellten Krankschreibungen auffällt. Nach § 275 SGB V haben Arbeitgebende zudem die Möglichkeit, über den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit zu veranlassen.
Zusammenhangsanfrage bei der Krankenkasse: Ein hilfreiches Instrument?
Wenn der Verdacht besteht, dass die Krankschreibungen eines Mitarbeitenden auf eine wiederkehrende Erkrankung zurückzuführen sind, kann der Arbeitgebende eine sogenannte „Zusammenhangsanfrage“ bei der Krankenkasse stellen. Diese Anfrage dient dazu, festzustellen, ob frühere Krankheitszeiten aufgrund derselben Diagnose aufgetreten sind. Dies könnte auf eine chronische Erkrankung hindeuten, die die häufigen Fehlzeiten erklärt.
Medizinischer Dienst als letzte Instanz
Sollte der Arbeitgebende trotz allem weiterhin Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit haben, kann er von der Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (MD) verlangen. Dieser prüft, ob die ärztliche Krankschreibung gerechtfertigt ist. Sollte der MD zu dem Schluss kommen, dass keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, erhält der Arbeitgebende entsprechende Informationen von der Krankenkasse und kann gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen.
Fazit: Kommunikation statt Konfrontation
Arbeitgebende sollten vorsichtig agieren, wenn sie Zweifel an einer Krankschreibung haben. Ein offenes Gespräch mit dem Mitarbeitenden kann oft schon viele Unsicherheiten beseitigen. Rechtliche Schritte sollten nur dann erwogen werden, wenn handfeste Beweise für eine vorgetäuschte Erkrankung vorliegen. Der Medizinische Dienst und die Krankenkassen bieten hier eine neutrale Instanz zur Klärung.
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Quellen: Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), Medizinischer Dienst (MD), bundesarbeitsgericht.de