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Für ein gelenkschonendes Training: Fitness-Tipps für Knie und Rücken

Damit Gelenke, Knie und Rücken beim Training nicht überlastet werden: Orthopäde Dr. Sven Ostermeier erklärt im Interview, welche Sportarten am besten geeignet sind.

Dr. Sven Ostermeier: "Kein anderes Gelenk wird täglich so stark belastet und strapaziert wie das Knie.". © Teerasan Phutthigorn/Shutterstock.com
Dr. Sven Ostermeier: "Kein anderes Gelenk wird täglich so stark belastet und strapaziert wie das Knie.". © Teerasan Phutthigorn/Shutterstock.com

Anfang des Jahres ist die Motivation was Sport anbelangt bei vielen besonders groß. Damit Gelenke, Knie und Rücken bei übermütigen Fitness-Fanatikern nicht zu Schaden kommen, rät Professor Dr. Sven Ostermeier, leitender Orthopäde und Sportmediziner der Gelenk-Klinik Gundelfingen, das Training mit koordinativen Übungen zu optimieren und es langsam angehen zu lassen. Seine wichtigsten Tipps verrät er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Was raten Sie Sportanfängern, um Rücken, Gelenke und Knie beim Training nicht zu überlasten?

Professor Dr. Sven Ostermeier: Die WHO empfiehlt Erwachsenen bis zum Rentenalter zweieinhalb Stunden moderaten Sport pro Woche, wie etwa das Radfahren. Sicherlich spielt bei der optimalen Dauer auch die bevorzugte Sportart eine Rolle. So spricht natürlich nichts gegen, eine tägliche Runde auf dem Drahtesel zu drehen – das optimale Ausdauertraining hält fit und schont dabei die Gelenke. Dasselbe gilt zwar auch fürs Joggen, aber vor allem für Anfänger ist tägliches Laufen grundsätzlich zu viel des Guten. Denn nicht nur der Kreislauf muss sich erst an das Training gewöhnen: Auch Gelenke, Bänder und Sehnen benötigen einige Zeit, um sich den neuen Belastungen anzupassen. Empfehlenswert sind hier zwei- bis dreimal die Woche Strecken von 20, 30 Minuten oder auch etwas länger. Und auch beim Tempo bewirkt Maßhalten mehr: Wer es langsamer angehen lässt, der fördert sein gesundheitliches Wohlergehen auf schonende Weise. Insbesondere Blutdruck und Immunsystem profitieren. Also bitte nicht stets Drauflosspurten bis zum Schnaufen.

Ratsam ist insbesondere anfangs der kontinuierliche Trainingswechsel vom Laufen ins Gehen. Zuvor nicht das Aufwärmen vergessen – und auch danach stets die Muskeln sanft dehnen: erst Waden, dann Unter- und Oberschenkel. Ganz wichtig vor dem Start: passende Laufschuhe, die den Fuß gut führen und Verletzungen der Bänder und Gelenke durch Umknicken vorbeugen. Hier besser nicht auf den Preis, sondern vielmehr auf die Qualität achten.

Ob Joggen, Radfahren oder Wandern: Grundsätzlich ist es für einen Start eigentlich nie zu spät – das Okay des Hausarztes vor dem ersten Training vorausgesetzt. Ein sportmedizinischer Check klärt, welche Aktivitäten der Gesundheitszustand zulässt und welche Sportart am geeignetsten ist. Dabei bitte stets auf altersgerechten Sport achten. So ist beispielsweise Tennis als Ganzkörpertraining gesundheitlich unschlagbar. Doch aufgrund der Unfallgefahr sowie der Belastung für Muskeln und Gelenke ist davon im fortgeschrittenen Alter eher abzuraten. Auch Menschen mit Rückenproblemen sollten sich wegen der häufigen Stopp- und Drehbewegungen besser sportlich anders orientieren.

Nicht nur für Anfänger, sondern für alle Sportler sollten intensive Aufwärmübungen vor dem Training selbstverständlich sein. Diese fördern die Elastizität der Bänder und Sehnen sowie die Nährstoffversorgung der Muskulatur. Die Gefahr von Verletzungen von Muskeln und Sehnen wird wesentlich reduziert. 

Warum verursachen die Gelenke häufig Beschwerden?

Ostermeier: Kein anderes Gelenk wird täglich so stark belastet und strapaziert wie das Knie. Nicht nur beim Sprinten oder Skifahren muss es gewaltigem Druck standhalten: Bei jeder Kniebeuge trägt das größte und komplexeste unserer Gelenke das Sieben- bis Achtfache unseres Gewichts. Dass es da über kurz oder lang im Gelenk knackt, ist eigentlich nicht verwunderlich.

Neben monotoner und zu hoher Dauerbelastung führt vielfach Übergewicht zu heftigen Knieschmerzen – insbesondere bei untrainierten Läufern.  Selbst für trainierte Jogger bedeutet tägliches Laufen übrigens eine unnötige Herausforderung für Bänder, Sehnen und Gelenke.

Dauern die Knieschmerzen länger als drei Tage an, so ist das ein Warnzeichen. Ursache ist dann eventuell eine Entzündung im Knie. Kommen zu den Schmerzen noch eine Schwellung und Erwärmung des Kniegelenks hinzu, ist der Besuch beim Orthopäden dringend geboten.

Viel aushalten müssen auch unsere Sprunggelenke: Bänderdehnungen oder Verstauchungen sind nur einige der typischen Blessuren nach Sportunfällen, Stürzen oder anderen traumatischen Ereignissen. Das Dilemma: Diese Beschwerden setzen die Betroffenen längst nicht nur kurzfristig außer Gefecht – häufig haben sie gravierende Spätfolgen. Denn bedingt durch diese „Vorschäden“ entwickelt sich vielfach langsam, aber sicher über einen Zeitraum von durchschnittlich 20 Jahren eine sogenannte sekundäre Arthrose. In über 90 Prozent aller Fälle ist Sprunggelenk-Verschleiß die Folge lange zurückliegender Verletzungen.

Wie kann man Gelenkschmerzen und Verletzungen vorbeugen?

Ostermeier: Um Verletzungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, das Training zu optimieren: Koordinative Übungen wie Mattenlaufen oder Balance-Übungen auf einem Therapiekreisel/Wackelbrett stabilisieren den Sprunggelenkapparat und beugen dem Umknicktrauma vor. Stützende Bandagen schützen zudem anfällige Knöchel vor dem Umknicken.

Bandscheibenvorfälle „quälen“ nicht nur Bewegungsmuffel, wie viele Menschen denken. Oftmals sind auch sportlich aktive Menschen betroffen. Bestehen keine akuten Lähmungen oder Gefühlsstörungen, so hilft üblicherweise eine Kombination aus medikamentöser Schmerz- und Physiotherapie sowie thermischen Anwendungen.

Vorbeugen kann man nur bedingt, beispielsweise durch ein regelmäßiges Rücken- und Bauchtraining. Gut sind individuelle Rückenzirkel, in denen nicht nur tief liegende Muskeln gekräftigt, sondern vielmehr wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Nach einem Bandscheibenvorfall sollten schonende Sportarten wie Radfahren oder Schwimmen bevorzugt werden.

Was sind effektive, aber auch schonende Übungen für Rücken, Gelenke und Knie?

Ostermeier: Eine gute Beweglichkeit ist die Grundlage für einen gesunden und schmerzfreien Rücken. Durch unseren heutigen Lebensstil leiden jedoch viele Menschen unter einseitiger, monotoner Belastung sowie Bewegungsmangel. Dem lässt sich aktiv, beispielsweise durch die Mobilisationsübung „Rotation“, begegnen. Ausgangsstellung ist dabei ein breiter Stand (überhüftbreit). Die Arme hängen locker an der Seite. Drehen Sie nun die Arme mit Schwung nach rechts und links. Die Bewegung sollte vor allem aus der Wirbelsäule kommen. Achten Sie deshalb bitte darauf, dass sich Beine und Becken möglichst wenig bewegen. Drehen Sie sich so weit, dass Sie ein nicht schmerzhaftes Endgefühl in der Bewegung spüren. Führen Sie diese Aufwärmübung ca. ein bis zwei Minuten lang durch.

Praktisch und effizient sind auch Fitnessübungen wie das „Kniependeln“. Dabei bitte einfach sitzend das Knie pendeln lassen (alternativ möglich mit oder ohne Gewicht am Sprunggelenk). Das fördert die Bildung von Gelenkschmiere und wirkt vorbeugend gegen Arthrose. Patienten mit Kniearthrose sollen diese Übung immer dann durchführen, wenn sich das Knie müde oder schmerzhaft anfühlt. Die Pendelbewegung ohne Belastung fördert die Knorpelernährung.

Schon kleine Schritte genügen oft, um dem fatalen körperlichen Müßiggang entgegenzuwirken: Hin und wieder ein kleiner „Spaziergang“ durch die Wohnung ist ebenso wohltuend für Rücken und Kreislauf wie etwa nach jeder Stunde des Sitzens 15 Minuten stehend zu verbringen. Und ist eine Treppe innerhalb der Wohnung, so sollte diese möglichst oft genutzt werden. Zudem öfter mal am Schreibtisch oder auf der Couch die Sitzposition ändern und zwischen aufrechter, vorgeneigter und zurückgelehnter Haltung wechseln.

Wie wichtig ist es, auf Rücken, Knie und Gelenke beim Sport zu achten?

Ostermeier: Empfehlenswert sind Sportarten, die altersgerecht sind und Gelenke und Rücken möglichst gleichmäßig beanspruchen und kräftigen. Schließlich darf und soll der Gelenkknorpel belastet werden – aber auf die richtige Weise. Wird er immer wieder an einer Stelle strapaziert, kommt es zu Schäden. Ungünstig sind harte, unvermittelte Stoßbelastungen sowie Sportarten, die das Gelenk zu lange in einer Position belassen.

Paradebeispiel für gelenkschonenden Sport ist das Schwimmen. Es verringert das eigene Körpergewicht, entlastet also die Gelenke. Wer gerne joggt, dem empfiehlt es sich auf den richtigen Untergrund zu achten. Bei Asphalt zum Beispiel fehlt der Federeffekt, was die Kniegelenke stark belastet. Perfekt wäre ein Feldweg, der Federung bietet, aber nicht zu viele Hindernisse bereithält.

Um die Rückenmuskulatur aufzubauen, eignen sich ganz besonders Ausdauersportarten wie das Wandern. Nicht nur Muskulatur, Knochen und Gelenke profitieren davon. Auch das Gehirn wird positiv aktiviert. Selbst im fortgeschrittenen Alter ist es problemlos möglich – vorausgesetzt es liegen keine gesundheitlichen Probleme wie erhebliche Gelenkbeschwerden oder akute Entzündungen vor. Patienten mit Arthrose sollten steile Wege und Gewaltmärsche vermeiden.

Besonders vorteilhaft ist auch Skilanglauf. Kaum ein anderer Sport bewegt so viele Muskeln. Selbst bei angepasster Geschwindigkeit werden bei diesem Fitnesstraining an der frischen Luft 95 Prozent unseres Muskelapparates aktiviert. Nicht nur Rücken und Beine kommt das Ganzkörper-Training zugute. Dank des Stockeinsatzes profitieren auch Arme, Bauch- und Schultermuskeln.

Besonders positiv ist die mehr oder weniger gleichmäßige Belastung aller Muskelgruppen. Dadurch eignet sich dieser Wintersport – im Gegensatz zum alpinen Ski – ebenfalls gut für Menschen mit Arthrose.

Ich empfehle, das individuelle Bewegungsprogramm gemeinsam mit dem Facharzt, am besten einem Orthopäden oder Sportmediziner, zu besprechen und festzulegen.

Welche langfristigen Schäden können schlimmstenfalls entstehen?

Ostermeier: Sport ist gesund – vorausgesetzt, man übertreibt es nicht und gönnt dem Körper auch Regenerationszeiten. Oftmals führen neben übertriebenem Ehrgeiz und einem zu intensiven Training auch Technikfehler zu ernsthaften Verletzungen. Bestes Beispiel dafür ist der Tennisellenbogen, die häufigste Sehnenansatzentzündung überhaupt. Zur Vorbeugung sollten stark gefährdete Tennisspieler ihre Technik überprüfen. Denn hier werden oft Fehler mit gravierenden medizinischen Folgen gemacht – nicht nur beim Tennis, sondern auch bei anderen Schlägersportarten.

Besonders anfällig für Verletzungen ist, wie bereits erwähnt, auch das Sprunggelenk. Eine wesentliche Gefahrenquelle sind Sportarten, bei denen es auf kurze Sprints und Stoppbewegungen ankommt. Also beispielsweise neben dem Tennis auch Fußball oder Volleyball. Davor schützen kann ich mich in erster Linie, indem ich das Training optimiere. Koordinative Übungen wie Mattenlaufen oder Balance-Übungen auf einem Therapiekreisel/Wackelbrett stabilisieren den Sprunggelenkapparat und beugen dem Umknicktrauma vor. Um einen anfälligen Knöchel vor dem Umknicken zu schützen, ist eine stützende Bandage sinnvoll.

Statt utopische (und ungesunde) Höchstleistungen anzustreben, ist es besser, sich moderate und klare Ziele setzen. Dies erhöht die Freude am Sport und schützt Gelenke, Bänder, Sehnen und Muskeln.

Professor Dr. Sven Ostermeier ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin, Chirotherapie und spezielle orthopädische Chirurgie. Der Schulter- und Knie-Experte arbeitet als leitender Orthopäde der Gelenk-Klinik Gundelfingen. Außerdem ist er Instruktor der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Arthroskopie.

(eee/spot)