Ob Rücken, Nacken oder Gelenke: Kalte Temperaturen sorgen oft für Schmerzen in den verschiedensten Körperregionen. Symptome dieser Art lassen sich unter anderem mit Wärme behandeln, weiß Prof. Dr. med. Sven Ostermeier, leitender Orthopäde und Sportmediziner der Gelenk-Klinik Gundelfingen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news klärt der Experte über verschiedene Behandlungsmethoden auf.
Muskelverspannungen und schmerzende Gelenke sind in der kalten Jahreszeit nicht selten. Inwiefern kann Wärme hier helfen?
Prof. Dr. med. Sven Ostermeier: Was die Sonne im Herbst nicht mehr leistet, das lässt sich mit modernen Hilfsmitteln wie Heizdecke, Infrarotlicht oder Basenbädern ausgleichen: Wärme dringt tief in das Gewebe ein, regt die Durchblutung und somit den Stoffwechsel an. Der wohltuende Effekt: Das Gelenk wird beweglicher, die Muskulatur entspannter und lockerer.
Nicht nur bei chronischen Gelenkbeschwerden, die länger als vier Wochen anhalten, empfehlen sich Wärme-Anwendungen: Auch Verspannungen und Rückenschmerzen lassen sich damit gut behandeln – am besten schon an den ersten Tagen der Beschwerden. Hilfreich sein können Wärmespender auch bei Bewegungseinschränkungen wie der Schultersteife (Frozen Shoulder) oder etwa einer Arthrose.
Welche Wärme-Behandlungen lassen sich problemlos zu Hause anwenden?
Ostermeier: Ob moderne Heizdecke oder gute alte Wärmflasche – die gängigen Methoden unterscheiden sich kaum in der Wirkungsweise.
Dank verschiedener Wärmestufen lassen sich Heizdecken gut den persönlichen Bedürfnissen anpassen. Temperaturen von 40 Grad und mehr können aber bei stundenlangem Gebrauch schädlich sein. Der Einsatz über Nacht sollte deshalb vermieden werden.
Besonders wohltuend an tristen Tagen sind Basenbäder oder -wickel, wenn Nacken, Schultern, Knie oder Füße schmerzen: Die Wärme lockert das Gewebe, die Basensalze neutralisieren die Säure im Bindegewebe – einer der Hauptauslöser für chronische Schmerzen.
Aktuell arbeiten wieder viele aus dem Homeoffice. Was hilft zum Beispiel bei akuten Rücken- oder Nackenschmerzen?
Ostermeier: Millionenfach bewährt haben sich bei akuten Rückenschmerzen oder Nackenverspannungen auch Wärmepflaster. Diese regen etwa dank ihres Cayennepfeffer-Extraktes die Durchblutung der Haut an und wirken schmerzstillend. Eine Alternative sind Pflaster mit Aktivkohle und Eisen als Inhaltsstoffe, bei denen dank der chemischen Reaktion mit Sauerstoff Wärme entsteht. Mein Tipp: Auf jeden Fall zuvor gründlich den Beipackzettel lesen, ansonsten drohen bei falschem Gebrauch möglicherweise Verbrennungen.
Durch die tief eindringende Wärme ist auch Infrarot eine bewährte Anwendungsoption bei Muskelverspannungen sowie bei Schmerzen des Bewegungsapparates. Viele Experten empfehlen hierbei das wassergefilterte Infrarot (wIRA), weil die Gefahr der Verbrennung durch Überwärmung der oberen Hautschichten ausgeschaltet wird.
Welche Methoden sollte man nicht ohne Experten anwenden?
Ostermeier: Aufgrund der Gefahr von Verbrühungen oder Verbrennungen ist bei allen Wärmeanwendungen grundsätzlich Vorsicht geboten. Bei akuten Verletzungen oder einem angeschwollenen oder entzündeten Gelenk ist davon abzuraten. Auf jeden Fall sollte zuvor der Orthopäde gefragt werden. Denn vielfach ist Kälte in diesen Fällen hilfreicher und wirkungsvoller.
Höhere Temperaturanwendungen wie etwa die „Heiße Rolle“ sollten geschulten Experten wie beispielsweise Physiotherapeuten vorbehalten bleiben. Bei dieser altbewährten Methode wird ein trichterförmig zusammengerolltes Handtuch mit sehr heißem Wasser „getränkt“. Anschließend wird die schmerzende Stelle mit der Rolle sanft massiert. Die feuchte Wärme dringt ins Gewebe, fördert dessen Durchblutung und Stoffwechsel.
Professor Dr. Sven Ostermeier ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin, Chirotherapie und spezielle orthopädische Chirurgie. Der Schulter- und Knie-Experte arbeitet als leitender Orthopäde der Gelenk-Klinik Gundelfingen. Außerdem ist er Instruktor der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Arthroskopie.