Für Tina Kammer steht fest: Auf Dauer wird die Bauindustrie nur noch mit nachhaltigen Materialien funktionieren. Denn konventionelle Baustoffe bestehen oft aus endlichen Rohstoffen. Sie ist Möbelschreinerin und Architektin. Mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt sie sich bereits seit 30 Jahren. Das macht sie heute zur Pionierin.
In ihren Neubau-oder Renovierungsprojekten legt sie Wert darauf, dass die Ergebnisse nicht nur ästhetisch, sondern auch ökologisch und nachhaltig sind. Denn das hat auch einen angenehmen Nebeneffekt – solche Räume sind auch viel gesünder für den Menschen. Was in großen Projekten gilt, ist auch bei eigenen DIY-Projekten nicht falsch. Denn „nachhaltiges Renovieren“ für umweltbewusste Heimwerker:innen heißt: Es darf nicht zu viel kosten. Es soll die Umwelt nicht belasten. Und es soll den Menschen guttun.
Alles zum Thema „nachhaltig Renovieren“:
Nachhaltig Renovieren: Geht das überhaupt?
Doch leider ist die Wirklichkeit oft noch eine andere: Wir bauen zu viel mit Beton, schädlichen Lacken und exotischen Materialien. Bei der Produktion von Beton beispielsweise wird Sand verbraucht, der weltweit immer knapper wird. Und es werden Unmengen an Energie benötigt – die CO₂-Emissionen verursachen.
Können wir dennoch bestehende Bauten besser machen? Ja, und gleich vorweg: Die Möglichkeiten sind so mannigfaltig, dass es nicht die eine Lösung für alle Baustellen gibt. Aber es gibt Wegweiser und Faustregeln – und die findest du hier.
Bitte nicht von zu weit her!
Eine der wichtigsten Daumenregeln für Baumaterial: je näher, desto besser. Zwar quellen Baumärkte über vor exotischen Hölzern und Metallen. Doch dahinter stehen einerseits ellenlange Transportwege mit massiven CO₂-Fußabdrücken – und oft genug auch menschen- und naturverachtender Raubbau. Also gilt bei Baustoffen für die Renovierung der eigenen vier Wände dasselbe wie beim Lebensmittel-Einkauf im Supermarkt: nicht das Gemüse aus Marokko, sondern lieber aus Mecklenburg.
Halte es deswegen lieber wie früher der französische Adel – und setze auf Stein und Holz aus heimischem Ab- und Anbau. Sandstein aus deutschem Mittelgebirge, dazu nachwachsende deutsche Fichte oder Eiche: Nachhaltiger geht es kaum! Zumal Studien belegen, dass Holz als Baustoff Gesundheit und Geist auf Vordermann bringt.
Nachhaltig renovieren: Diese Baustoffe sind bedenkenlos
- Granit: Der Klassiker in der Küche eignet sich ebenfalls hervorragend für Fußböden oder Treppen. Und stammt dabei aus dem Südosten Deutschlands: Der Stein wird in der Lausitz und im Bayerischen Wald gewonnen.
- Kalkplatten oder Schiefer: Es ist eine altertümliche Art der Dach-Abdeckung, die gut vor Hitze schützt und auch noch heute beliebt ist. Klappt aber nicht überall, denn der Naturstein haftet nur auf Dächern mit geringer Abwinkelung.
- Lehm: Der Rohstoff Lehm eignet sich exzellent als Innenputz. Plus: Er hat gute Dämm-Eigenschaften und ist dem Raumklima zuträglich. Das wussten auch schon die Erbauer von Fachwerkhäusern.
- Reet: Der nordeuropäische Klassiker fürs Dach ist seit Jahrtausenden im Einsatz. Reet speichert Wärme, was in kalten Wintern ein echtes Plus ist. Allerdings muss das Dach mindestens 45 Grad geneigt sein, damit das Wasser zuverlässig ablaufen kann.
- Holzschindeln: Einerseits ist es für die Dacheindeckung nutzbar, andererseits als Fassadenverkleidung. In einigen Regionen Deutschlands noch heute beliebt. Achtung: Viele Holz-Sorten verwittern mit der Zeit und verändern damit ihre Farbe. Das sollten eifrige Sanierer vorher abschätzen.
- Ziegel: Jeder kennt die roten Backsteine, die die Architektur im Norden Deutschlands prägen. Das älteste Baumaterial wird noch heute gerne eingesetzt. Vorteile: Atmungsaktiv, speichern Wärme, ökologisch unbedenklich und fast überall regional verfügbar.
Siegel geben Orientierung – aber nur die richtigen
Farben und Lacke sind eines der wichtigsten Mittel für die häusliche Sanierung. Gleichzeitig zählen sie zu den potenziell schädlichsten Zutaten einer Renovierung. Das wissen auch die Hersteller – und versuchen, mit selbsterstellten Siegeln für trügerische Sicherheit beim Verbraucher zu sorgen. Deswegen gilt hier: Nicht auf allgemeingültige Siegel wie „Bio“ hereinfallen!
Tatsächlich sind diese zwei Siegel wirklich sinnvoll: Einerseits der „Blaue Engel“ – den kennt man vom Druckerpapier. Tatsächlich gibt der Blaue Engel auch ganz gezielt Orientierung beim Thema Renovierung: Er zeigt an, welche Tapeten oder Lacke emissions- und schadstoffarm sind oder welche Fußbodenbeläge sich fürs Recycling eignen. Kleiner Tipp: Den Blauen Engel gibt’s auch für Matratzen und Möbel.
Andererseits gibt es das Label „natureplus“ – dafür arbeiten unabhängige Experten sowie Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden mit der Wirtschaft zusammen. Das Siegel wurde spezifisch für alle möglichen Arten von Baustoffen entwickelt und testet Beläge, Lacke oder auch Dämmstoffe ökologisch auf Herz und Nieren.
Für die meisten Anlässe des Renovierens gibt es noch ein paar Anhaltspunkte, an denen du erkennst, wie nachhaltig die entsprechenden Produkte sind:
Tapeten aus Recycling-Papier
Achte darauf, dass die Tapeten PVC-frei sind und ohne Weichmacher auskommen, denn diese geben sie schon bei Raumtemperatur in die Umgebung ab. Alternativ zu Raufasertapeten bieten sich Vliestapeten an, hergestellt aus Zellstoff- und Textilfasern.
Teppiche und Bodenbeläge
Bei Teppichböden steht das Rugmark-Siegel für soziale Mindeststandards im Herstellungsprozess. Allgemein gilt: Parkett, Holz, Fliesen oder Kork sind langlebiger als Teppich. Für Räume mit großer Feinstaubbelastung bieten sich dennoch Teppiche an: Sie binden den Staub. Sehr nachgefragt: Bodenbeläge aus Kautschuk – sie sind nicht nur leicht zu reinigen, sondern die einzigen elastischen Böden, die nicht beschichtet werden müssen. Linoleum hat die positiven Eigenschaften von PVC-Böden, aber eine deutlich bessere Ökobilanz. Schließlich besteht es nahezu komplett aus natürlichen Rohstoffen. Achte auf das Cradle-to-Cradle-Siegel: Es kennzeichnet umweltsichere, gesunde und recyclebare Ware.
Terrassenbeläge
Wer statt Tropenholz kein regionales Holz oder gar eine Steinterrasse möchte, greift oft zu Plastik: WPC. Aber auch dafür gibt es eine nachhaltige Alternative: ein Naturfaserverbund aus Reishülsen: Resysta. Es hat dieselbe Optik und Haptik wie Tropenholz, ist aber wasser- und wetterfest, UV-beständig und vor allem komplett recycelbar.
Nachhaltig renovieren: Bei diesen Herstellern ist „grün“ mit drin
Nachhaltiges Renovieren ist mittlerweile so beliebt, dass sich einzelne Hersteller darauf spezialisiert haben. Mit ihrer Philosophie gehen sie über gesetzliche Vorgaben hinaus und übertreffen teilweise auch die Ansprüche von oben genannten Siegeln.
Einige Beispiele:
- Kreidezeit zum Beispiel verzichtet als Hersteller von Farben, Putzen, Holz- und Schimmelbehandlungen konsequent auf Konservierungsstoffe, synthetische Lösemittel, Kunststoffbindemittel und Weichmacher – und hat damit große Erfolge bei Allergikern. Zudem sind sämtliche Inhaltsstoffe sind vollständig aufgeführt.
- Auro (Motto: „Deine Farben wachsen nach“) setzt auf Farben und Reinigungsmittel aus überwiegend pflanzlichen und mineralischen Rohstoffen – um auch in der Chemie von seltenen und schädlichen Inhaltsstoffen wegzukommen.
- Osmo ist ein Holz-Spezialist aus Westfalen, der sich mit fachgerechter Verarbeitung des nachwachsenden Rohstoffes und dazu passenden Farben beschäftigt. Zudem experimentiert er mit Bambus als Werkstoff.
Du siehst: Nachhaltiges Renovieren ist ein riesiges Feld. Es lassen sich kaum alle Aspekte im Blick behalten – und es kommt ein wenig darauf an, wie dein persönliches Renovierungsprojekt aussieht. Deswegen seien dir an dieser Stelle zwei Empfehlungen zur vertieften Lektüre gegeben:
- Zum einen bietet die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen viele, auch spezifische Informationen zu Anwendungsfällen, mitsamt Berater-Netzwerk.
- Bei der Förderbank des KfW gibt es zudem vielleicht finanzielle Unterstützung für ihre ökologischen Sanierungs-Projekte – einen Blick hineinzuwerfen, lohnt sich.
Checkliste für nachhaltiges Renovieren
Tipp 1 – Energiebilanz
Wie viel Aufwand benötigt mein Baustoff bei der Produktion? Im Zweifel ist es lieber ein nachwachsender Rohstoff und nicht zu oft verarbeitet.
Tipp 2 – Recycling
Ist mein Baustoff recycelt, und ist er in Zukunft recycelfähig oder zumindest reparierbar? Auch Holz kann die falsche Wahl sein, wenn es zu stark und mit den falschen Lacken bearbeitet wird.
Tipp 3 – Transportweg
Ist mein Material regional verfügbar? Denken Sie an die alte Regel von Bio-Lebensmitteln: Das Gute liegt so nah.
Tipp 4 – Pflanzenbasis
Ist das Material aus einem nachwachsenden Rohstoff? Bonustipp: Verzichte auf Lacke und Kunststoffe aus Rohöl. Besser sind Farben auf Pflanzenbasis, aus Kalk oder Kasein.
Dieser Artikel ist im Original von Stefan Rippler.
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