Als Kind war eine Tasse warme Milch mein festes Abendritual, ohne das ich nicht schlafen gehen wollte. Inzwischen verzichte ich schon seit Jahren auf Kuhmilch. Zum Wohle der Tiere und weil ich Milchzucker nicht mehr gut vertrage. Ich habe etliche pflanzliche Drinks ausprobiert, doch meine liebste Alternative ist Hafermilch: leicht süßlich, gut bekömmlich und kalorienarm. Umso mehr schockiert mich ein aktuelles Video auf TikTok, in dem gesagt wird, Hafermilch sei voller Zucker. Was ist dran an der Behauptung?
TikTokerin behauptet: Hafermilch steckt voller Zucker
Mit ihrem Video hat TikTokerin Viva Rena alias viva.beauty einen echten Hass auf Hafermilch heraufbeschworen.
Am Frühstückstisch behauptet sie, ein Liter Hafermilch enthalte 12 Stück Würfelzucker. Der angebliche Grund: Bei der Produktion zerfalle die Stärke aus dem Getreide zu gesundheitsschädlichem Einfachzucker. Schuld daran sei ein zugesetztes Enzym.
Ihre Informationen will Viva Rena von TikTok haben. Weitere Informationen gibt sie nicht. Sie sei nun auf Sojamilch umgestiegen. Stimmen die Behauptungen?
Wie wird Hafermilch hergestellt?
Um zu überprüfen, ob und wie viel Zucker in die Hafermilch kommt, muss man zunächst den Herstellungsprozess verstehen: Hafer wird mit Wasser vermischt und vermahlen. So werden die Inhaltsstoffe aus dem Getreide extrahiert. Dabei kommt es zur Fermentation: Die Stärke wird in Zucker umgewandelt.
Danach werden die Pflanzenfasern entfernt und Speiseöl sowie andere Zutaten (je nach Sorte) werden hinzugefügt, um eine gleichmäßige Flüssigkeit herzustellen. Nach dem Erhitzen und Haltbarmachen wird die Hafermilch abgefüllt. Und wie viel Zucker enthält sie jetzt?
Weiterlesen: Du magst nicht nur Hafermilch, sondern auch Haferflocken? Das passiert, wenn du sie jeden Tag isst.
Wie aus Stärke Zucker wird
Die staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin Lena Mier von der Verbraucherzentrale Berlin e. V. erklärt: „Hafer enthält von Natur aus knapp 60 Prozent Kohlenhydrate, davon knapp ein Prozent Zucker. Die Kohlenhydrate sind überwiegend in Form von Stärke enthalten. Zur Herstellung von klassischen Haferdrinks wird der Hafer fermentiert, das heißt, durch den Zusatz von Enzymen wird ein Teil der Stärke im Hafer zu Zucker aufgespalten.“
Herkömmlicher Haferdrink aus dem Handel enthält zwischen 30 und 60 Gramm Zucker pro Liter. In Würfelstücken, die jeweils 3 Gramm wiegen, bedeutet das: Hafermilch enthält zwischen 10 und 20 Würfel Zucker pro Liter. Das betrifft auch Produkte mit der Aufschrift „Ohne Zuckerzusatz“ oder „ungesüßt“, da der Zucker von Natur aus im Haferdrink enthalten ist. Die TikTokerin Viva Rena hat also Recht.
Ist Einfachzucker schlecht?
Die TikTokerin spricht in ihrem Video davon, dass der enthaltene Zucker schlecht sei. Stimmt das wirklich? Tatsache ist, dass Einfachzucker, also Glukose bzw. Traubenzucker, direkt ins Blut geht und dadurch den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt. Dadurch liefert der Zucker schnell Energie.
Steigt der Blutzuckerspiegel jedoch zu rasant an, kann es zu Heißhunger kommen. Auf Dauer begünstigt ein zu hoher Blutzuckerspiegel Insulinresistenz und dadurch Diabetes und Adipositas.
Verglichen mit Kuhmilch hat Hafermilch übrigens weniger Zucker: Auf einen Liter Kuhmilch kommen 47 Gramm Zucker. Außerdem enthält Hafermilch nur 42 Kalorien pro 100 Milliliter, Kuhmilch dagegen ein Drittel mehr.
Weiterlesen: Gibt es gute und schlechte Kalorien? Hier findest du die Antwort.
Ist Sojamilch wirklich besser?
Ob Sojamilch die bessere Alternative ist, darüber lässt sich wohl streiten. Denn auch Sojamilch enthält 4 Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Bei den Kalorien schlägt sie sogar mit 54 pro 100 Milliliter zu Buche. Der Fettgehalt liegt sowohl bei Hafer- als auch bei Sojamilch bei knapp 4 Gramm und ist somit deutlich geringer, als der Gehalt von Fett in Kuhmilch.
Noch dazu hat Sojamilch eine schlechtere Ökobilanz. Hafermilch ist laut der Expertin „die ökologisch beste Alternative zur Kuhmilch“. Ihre Transportwege sind kurz und es werde deutlich weniger Wasser bei der Produktion verwendet.
Zwar enthalten pflanzliche Milchalternativen weniger Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, dafür werden ihnen häufig bestimmte Nährstoffe wie Calcium zugesetzt. Soja ist zwar bekannt dafür, Allergien auslösen zu können. Trotzdem ist Sojamilch eine geeignete Alternative für Menschen, die an Zöliakie, also Glutenunverträglichkeit leiden, und keine Hafermilch trinken dürfen.
Das könnte dich auch interessieren: