Weltweit nehmen Menschen freiwillig am Dry January teil, einer Initiative, bei der sie sich im ersten Monat des Jahres dazu verpflichten, auf alkoholische Getränke zu verzichten. Durch diese Entscheidung erhoffen sie sich verschiedene gesundheitliche Vorteile und möchten beweisen, dass sie nach den feuchtfröhlichen Feiertagen in der Lage sind, auf Alkohol zu verzichten. Obwohl diese Challenge grundsätzlich lobenswert ist, warnt eine Suchtberaterin jedoch davor, dass es sich hierbei um eine „bedenkliche Idee“ handelt, insbesondere wenn man Alkohol langfristig aus seinem Leben verbannen möchte…
Der Dry January: Das sind die Vorteile
Erfunden wurde der Dry January in Großbritannien – und das aus gutem Grund. Alkohol ist hier nämlich die häufigste Todesursache von Menschen zwischen 15 und 49 Jahren. Die Organisation Alcohol Concern hat aus diesem Grund den trockenen Januar eingeführt, um für das Thema Alkoholmissbrauch und -Abhängigkeit zu sensibilisieren.
Mittlerweile ist der Dry January auch in Deutschland weit verbreitet – und auch hier ist es bitternötig. Hierzulande sterben jährlich rund 20.000 Menschen an ihrem Alkoholkonsum. Fast jede dritte Gewalttat steht in Zusammenhang mit Alkohol und bei 35.000 Verkehrsunfällen im Jahr ist Alkohol im Spiel. Deutschland gehört genau wie Großbritannien zu den Hochkonsumländern dieser Welt.
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Der Dry January befördert diese erschreckenden Zahlen jedes Jahr aufs Neue zutage und macht so auf das Thema aufmerksam. Damit nicht genug, verspricht es auch einige gesundheitliche Vorteile, einen Monat auf Alkohol zu verzichten.
So soll sich binnen dieser Zeit die Haut und der Schlaf verbessern. Zudem kann der Körper dank des Alkoholverzichts Nährstoffe besser aufnehmen – das stärkt in letzter Konsequenz das Immunsystem. Nicht zu vergessen sind auch die eingesparten Kalorien, ein Glas trockener Weißwein hat immerhin satte 136kcal.
Der Dry January: Die Nachteile
Die Londonerin Sandra Parker hält regelmäßig das Seminar „Just The Tonic“ ab, in dem sie Menschen hilft, die vom Alkohol abhängig geworden sind. Sie selbst lebt seit 2018 abstinent. Ihre Meinung zum Dry January ist deutlich: Wer auf lange Sicht mit dem Trinken aufhören möchte, ist mit dem trockenen Januar nicht gut beraten. Vielmehr müsste man sich ganz allgemein mit den Gründen für das eigene Trinken auseinandersetzen.
Die Expertin bestreitet nicht, dass die Challenge für manche Menschen positive gesundheitliche Effekte zeigt. Menschen, die merken, dass sie ein Alkoholproblem entwickelt haben, sind laut Meinung von Parker allerdings nicht gut mit dem einmonatigen Alkoholverzicht beraten. Für diese Menschen gibt es effizientere Wege, um der Sucht zu entkommen.
„Die einzige langfristige Lösung, um den Alkohol unter Kontrolle zu bekommen, ohne sich auf Willenskraft zu verlassen oder sich benachteiligt zu fühlen, besteht darin, die Gründe für das Trinken zu untersuchen“, fässt Parker zusammen.
Tatsächlich trinken viele Menschen, weil sie damit negative Gedanken oder Emotionen unterdrücken wollen. Frauen greifen zudem sehr häufig aus Stressgründen zum Glas. Wer diese Auslöser herausarbeitet, ist laut der Expertin auf dem besten Weg, sein Alkoholverhalten zu ändern.
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Merke: Kenne die Gründe für dein eigenes Trinken
Wer einmal verstanden hat, warum er zum Alkohol greift, braucht ihn nicht mehr. „Und das ist ein magischer Ort, denn null Verlangen nach Alkohol bedeutet null Versuchung und null Entbehrungen“, fässt Parker zusammen.
Parker, die selbst lange Zeit eine „work hard play hard-Einstellung“ mit reichlich Alkoholexzessen an den Tag legte, empfand den Dry January früher selbst als Folter. Sie sagt: „In meiner Trinkerzeit dachte ich immer, der Dry January sei eine Form krankhafter Folter, die von einem Spielverderber erfunden wurde, um einem ohnehin schon miserablen Monat jeglichen Rest an Vergnügen zu entziehen.“
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Sie selbst schaffte es nie, einen ganzen Monat auf Alkohol zu verzichten und plante zumeist eine Party zum Ende, um endlich wieder trinken zu können. Heute arbeitet Sandra Parker als Coachin für Menschen, die ein Leben ohne Alkohol führen wollen.
Sie rät allen, die tatsächlich vorhaben, abstinent zu leben, vom Dry January ab. Die Expertin glaubt, dass vielen Menschen allein dieser Monat schon zu lang vorkommen könnte. Es handele sich dabei um ein unerreichbares Ziel, welches den Alkohol im Februar nur umso erstrebenswerter wirken lässt.
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Der Dry January: Für ‚mäßige Trinker:innen‘ geeignet
Der Dry January ignoriert ihrer Meinung nach völlig, warum wir zum Alkohol greifen und setzt auf Vermeidung statt auf Aufarbeitung. Zwar gibt es Studien wie die von der University of Sussex, die ergeben, dass 70 % der Menschen, die am Dry January teilnahmen, danach tatsächlich weniger trinken.
Ian Hamilton, ein Dozent für psychische Gesundheit an der University of York meint dazu jedoch: „Die Millionen von Menschen, die sich dafür anmelden, sind die Millionen von Menschen, die wahrscheinlich kein so großes Problem mit Alkohol haben, also finden sie es relativ einfach.“
Menschen, die ihr eigenes Trinken nicht mehr im Griff haben, brauchen mehr als einen Monat Abstinenz. Sie sind in der Regel auf die Hilfe von Expert:innen angewiesen. Die helfen nicht nur dabei, dem Verlangen zu widerstehen, sondern auch den Gründen des Trinkens auf den Grund zu gehen…