Sie wollen abnehmen und zahlen einen hohen Preis dafür: Viele Menschen zählen Kalorien, verzichten auf Snacks, halten bestimmte Abstände zwischen den Mahlzeiten ein und treiben so viel Sport, bis sie kurz vor der Erschöpfung stehen. Kurzzeitig gibt es allen Grund zur Freude, denn das Gewicht auf der Waage sinkt, nur um dann kurze Zeit später wieder in die Höhe zu schnellen.
Aber woran liegt es, dass der Jo-Jo-Effekt so unbarmherzig zuschlägt? Liegt es am fehlenden Durchhaltewillen oder doch daran, dass unser Körper ein bestimmtes Idealgewicht (das sogenannte Setpoint-Gewicht) halten will und das mit allen Mitteln? wmn auf der Suche nach Antworten.
Setpoint-Theorie: Unser Körper hat ein Idealgewicht, an dem wir nicht rütteln können
Es gibt so viele Diäten auf dem Markt und doch locken sie mit dem gleichen Versprechen: Einem Traumkörper. Wer allerdings schon einmal eine Ernährungsumstellung ausprobiert hat, der weiß, dass die vermeintlich einfachen Regeln doch schwerer umzusetzen sind, als gedacht:
- Einfach nur weniger Kalorien essen? Schwierig, wenn der Körper nach ein paar Tagen bereits Heißhunger auf Schokolade und Co. hat.
- Einfach nur etwas mehr Sport treiben? Jo, aber auf der Waage tut sich trotzdem kaum etwas.
- Einfach nur die Kohlenhydrate oder Fette weglassen? Bei vielen kreisen die Gedanken dann noch stärker um die verbotenen Leckereien, wie Brot, Kuchen oder diese herrliche Quiche von dem Bäcker in der Straße, der auch diese niedlichen Servietten mit dem Blumenmuster hat.
All das sind Probleme, die laut dem Pychologen Richard Nisbett nicht von ungefähr kommen. Vor fast 50 Jahren entwarf er nämlich die sogenannte Setpoint-Theorie. Eine Theorie, die besagt, dass unser Körper ein genetisch festgelegtes Körpergewicht (das Setpoint-Gewicht) hat, an dem wir nicht rütteln können. So soll unser Setpoint nämlich im Hypothalamus gespeichert werden, also in dem kleinen Teil unseres Gehirns, der unsere Atmung, unseren Kreislauf, unsere Körpertemperatur, unser Sexualverhalten sowie die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme regelt.
Doch was passiert laut dieser Theorie, wenn wir unser Setpoint, also unser Idealgewicht, nicht mögen und mit eisernem Willen die Zahl auf der Waage nach unten drücken wollen? Dann, ja dann, soll unser Hypothalamus reagieren und in unseren Hormonhaushalt eingreifen. So soll der Hypothalamus dafür sorgen, dass wir weniger vom Hormon Leptin produzieren, das in den Fettzellen gebildet wird und das wir gerade bei einer Diät so dringend bräuchten, da es unserem Gehirn signalisiert, dass wir satt sind und mehr Kalorien verbrannt werden sollen. Gleichzeitig aber sorgt der Hypothalamus dafür, dass mehr vom Hormon Ghrelin gebildet wird, dem Gegenspieler vom Leptin. Und das steigert unseren Appetit sowie unseren Hunger und verlangsamt die Fettverbrennung vom Körper. Na, klasse!
Bedeutet: Wenn wir eine Diät machen, findet in unserem Körper ein Kampf von David gegen Goliath statt – mit einem klaren Verlierer. Unser eiserner Diätwillen unterliegt den hungrig machenden Hormonen. Und das haushoch.
Bedeutet der Setpoint, das wir unserem Körper machtlos unterlegen sind?
Aber auch zahlreiche Studien geben der Setpoint-Theorie recht. So erklärt beispielsweise Gary Foster, der klinische Direktor des Weight and Eating Disorder Programmes von der University of Pennsylvania, dass zwar viele Menschen mit einer Diät abgenommen haben. Aber – und das ist das verrückte – 65 Prozent von ihnen innerhalb von drei Jahren wieder zugenommen haben. Diejenigen, die mit einer Crash-Diät abgenommen haben, trifft es sogar noch härter: Von ihnen halten nur 5 Prozent ihr Gewicht.
Laut dem Online-Portal webmd.com gibt es auch drei Gründe dafür: Die Betroffenen halten die Ernährungsumstellung nicht dauerhaft durch. Ihr Stoffwechsel arbeitet langsamer, wodurch sie weniger Kalorien verbrennen. Und die Proband:innen essen pro verlorenes Kilogramm Körpergewicht etwa 100 Kalorien mehr.
Völlig entmutigt müssen wir nun aber trotzdem nicht sein! Denn mittlerweile gibt es sehr viel Kritik an der Setpoint-Theorie. So zeigen mittlerweile auch Studien, dass eine Gewichtsabnahme ohne Jo-Jo-Effekt sehr wohl möglich ist. In einer Untersuchung etwa, die von Weight Watchers unterstützt wurde, konnten knapp 5.000 Personen 25 Kilogramm abnehmen. Und das Beste: Die Proband:innen schafften es sogar, das neue Gewicht nach der Abnahme rund drei Jahre stabil zu halten.
Suzanne Phelan, die Leiterin der Studie erklärte dazu: „Das neue Gewicht zu halten, wird mit der Zeit einfacher. Wir brauchen immer weniger Anstrengungen, um erfolgreich zu sein. Und nach zwei Jahren werden gesunde Essgewohnheiten zur Routine.“
Ein riesen Fehler, den viele Abnehmwillige aus ihrer Sicht machen, wenn sie ihr Gewicht verändern wollen? Dass sie zu perfektionistisch an das Thema herangehen. Und dass sie nur in schwarz-weiß, nur in richtig und falsch denken. Das ist eine Einstellung, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Denn niemand ist perfekt, niemand handelt immer perfekt. Erst recht nicht, wenn es um die Ernährung geht. Ihr Tipp deshalb: Menschen, die ihr (Setpoint)-Gewicht verändern wollen, können sich auch ab und zu mal ungesunde Leckereien gönnen, sollten aber schnellstmöglich wieder in ihre gesunden Routinen einfinden.
Und auch die National Weight Control Registry konnte in einer großen Studie herausfinden, dass manche Menschen ihren Gewichtsverlust von 15 Kilogramm mehr als ein Jahr halten konnten. Was die Personen anders machten? Das fassen wir dir kurz zusammen:
- Sie haben Frühstück gegessen
- Weniger als 10 Stunden Fernsehen geguckt
- Sie sind einmal pro Woche auf die Waage gestiegen
- Sie haben eine Stunde pro Tag Sport gemacht
Da verschiedene Studien also zeigen, dass viele ihr Setpoint-Gewicht sehr wohl verändern und ohne Jo-Jo-Effekt halten können, wurde die Setpoint-Theorie zur sogenannten Settling-Point-Theorie weiterentwickelt. Neben dem Idealgewicht werden dabei noch weitere Faktoren mit einbezogen, die das Gewicht beeinflussen können. Etwa Krankheiten, soziale Konditionierungen oder beispielsweise der Geruch von Essen.
Wichtig: Viele Expert:innen glauben, dass unser Körper das neue Setpoint-Gewicht einfacher akzeptiert, wenn wir es zwischen neun Monaten und zwei Jahren halten.
Tricks für dein neues Setpoint-Gewicht
Wir hatten ja schon am Anfang erklärt, dass unsere Hormone eine wichtige Rolle beim Abnehmen spielen. Denn sie bestimmen, wie viel Hunger wir haben und wie schnell wir satt werden. Das Problem ist jedoch: Die Hormone in unserem Körper sind so perfekt aufeinander eingespielt, dass nur eins von ihnen aus der Reihe tanzen muss, um alle anderen ins Chaos zu stürzen. Ist etwa unser Cortisol-Spiegel zu hoch, sinkt das Progesteron und wir werden schlechter schwanger.
Ergo: Unsere Hormone beeinflussen nicht nur unsere Gewichtsabnahme, sondern auch unsere Gesundheit, ja sogar unsere Stimmung – und damit unser gesamtes Leben!
Aber, es gibt ein paar Tricks, mit denen wir unsere Hormone beeinflussen können:
Das Leptin beispielsweise
Das Hormon bestimmt ja, wie schnell wir satt werden. Das Problem ist nur: Wenn wir abnehmen, sinkt auch der Leptinspiegel und es fällt uns schwer, mit dem Essen aufzuhören. Der wichtigste Trick, um dem entgegen zu wirken: Keine Crash-Diäten machen! Aber auch viel Zink, etwa in Kürbiskernen, Sesam oder Austern sind perfekt geeignet, um den Leptin-Spiegel hoch zu halten.
Das Ghrelin beispielsweise
Auch dieses Hormon spielt bei jeder Gewichtsabnahme ohne Jo-Jo-Effekt eine Rolle. Denn wenn unser Magen leer ist, stellt unser Körper mehr Ghrelin her und wir bekommen mehr Hunger. Der Top-Tipp, um mehr Ghrelin herzustellen? Mehr, mehr, viel meeeehr Ballaststoffe essen! Perfekt dafür geeignet sind Bohnen und Linsen.
Aber es ist nicht nur unsere Ernährung, die unseren Hormonhaushalt und damit unser (Setpoint-)Gewicht beeinflusst. Sondern unser gesamter Lebensstil. Heißt, wenn du dauerhaft abnehmen willst, solltest du:
- Genügend gesunde Fette essen, um die Hormonbildung zu ermöglichen
- Nicht zu viel Sport treiben, sonst herrscht Chaos in deinem Hormonhaushalt
- Nicht zu viel Alkohol trinken
- Früh schlafen gehen & vor dem Zubettgehen blaues Licht vermeiden, denn Schlafmangel & Schlafstörungen wirken sich negativ auf den Hormonspiegel aus
- Deinen Blutzuckerspiegel stabil halten. Heißt: Wenig Zucker essen
- Nicht so viel Lebensmittel essen, die in Plastik eingepackt sind (Weichmacher wie Bisphenol A stehen in Verdacht, hormonell zu wirken)
- Und vor allem solltest du noch genug Körperfett am Körper behalten, da Fett ebenfalls Hormone ausschütten kann
Was wirklich der Schlüssel für eine Gewichtsabnahme ohne Jo-Jo-Effekt ist
Alles in allem siehst du, dass hinter einer erfolgreichen Gewichtsabnahme keine geheime Zauberformel steckt. Sondern vielmehr eine langfristige Ernährungs- und Lifestyleänderung. Dennoch gilt: Je länger wir es schaffen, unser neues Gewicht zu halten, desto größer ist auch die Chance, dass sich unser Gehirn das neue (Setpoint)-Gewicht einspeichert. Und zwar lebenslang!
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass wir unseren Körper nicht von heute auf morgen ändern können. Und das heißt wiederum, dass wir nicht eine Diät nach der nächsten anfangen sollten, sondern den eigenen Körper vorerst so akzeptieren müssen, wie er ist.
Aber dieses Gefühl der Selbstannahme könnte uns dabei helfen, generell gesünder zu leben. Und ganz ehrlich? Ist das Gefühl, glücklich, fit und gesund zu sein, nicht auch viel besser als irgendeine Diät auf der Welt?
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