Das beste Essen gibt’s im Restaurant. Dort, wo ausgebildete Meisterköche den Parmesan von Hand auf die Spaghetti hobeln, den luftig-lockeren Pizzateig lässig durch die Küche werfen, bevor dieser in den Steinofen geschoben wird. Das Kellner-Lächeln, mit dem das Essen wenige Minuten später auf dem Teller landet, werden wir in Zukunft seltener erleben. Menschen, die wir nie zu Gesicht bekommen, bereiten unser Essen immer häufiger in einer sogenannten Ghost Kitchen zu. Hier wird das Essen nur gekocht, servieren müssen es sich die Kunden nach der Lieferung selbst.
Die Geister-Küchen mauserten sich im letzten Jahr zu einem der wichtigsten Essensversorger. Sie profitieren vom Liefer-Trend, der nicht erst seit dem letzten Jahr boomt, aber seit Corona immer mehr. Die Gastronomie muss wegen den Schließungen ohnehin auf Take-away oder Lieferservices setzen. Viele Kunden versuchen durch Bestellungen ihre Lieblingslokale zu unterstützen. Das kommt gut an, online bestellen und bezahlen ist mit ein paar Klicks erledigt und zuhause wartet es sich ohnehin entspannter als im Restaurant.
Das Konzept könnte sich etablieren, sodass auch nach der Pandemie Bestellungen zum Standard und Restaurants zum Hinsetzen und Entspannen in Zukunft immer seltener werden.
Ghost Kitchen mit System
Daraus entwickeln sich völlig neue Gastronomiekonzepte. Der neueste Trend: Digitale Restaurantketten, wobei eher das Wort „Marke“ passen würde. In wenigen Ghost Kitchens werden unter unterschiedlichen Namen Gerichte gekocht, verpackt und verschickt. Gleiche Zutaten, weniger Aufwand. So ist es zum Beispiel kein Zufall, dass Fresh’s und Vadoli in Salaten auf „Montoro Zwiebeln I.G.P.“ setzen. Dass die gar keine kulinarische Spezialität sind, wie impliziert wird, fällt zunächst nicht auf. Nur der Sticker auf der Verpackung zeigt, zu welchem „Restaurant“ das Essen eigentlich gehört.
Noch ausbaufähig ist dagegen das Wichtigste: Das Essen. Zum einen ist so eine Ghost Kitchen Fließbandarbeit. Köche halten sich an Zutatenpläne, die keinen Spielraum für ein wenig Liebe zum Detail lassen. Zum anderen ist es schwierig, die Qualität des Essens trotz langer Lieferwege hoch zu halten. Deshalb werden Gerichte, die auch auf dem Weg noch weitergaren können, halbfertig losgeschickt, in der Hoffnung, sie seien beim Ankommen al dente. Bessere Verpackungstechniken und Zustell-Logistiken machen aber auch hier große Fortschritte.
Der Preiskampf
Essen ist ein großer und brutaler Markt. Ghost Kitchens profitieren davon, dass es bereits alle möglichen Plattformen für Essensbestellungen bereits digitalisiert gibt und lassen ihr Essen selbst von Lieferando und Co. verteilen. Doch prekäre Arbeitsbedingungen und Schwarzarbeit bei Foodora oder Deliveroo führten zu Demonstrationen vieler Fahrer:innen. Stellen Ghost Kitchen-Unternehmen eigene Fahrer an, bekommen diese gerade einmal den Mindestlohn. Köche in den Ghost Kitchens verdienen in der Regel immerhin etwas mehr.
Weil die Zahlungsbereitschaft der Kund:innen wahnsinnig niedrig ist, müssen Kosten ordentlich gedrückt werden. Der Preiskampf und die neuen Geschäftsmodelle werden die Arbeitsbedingungen also keineswegs verbessern.
Beyond plastic
Weltweit gerät die Ansammlung von Verpackungsmüll außer Kontrolle. Take-away und Essenslieferanten kommen nur ganz selten ohne Kunststoffe aus. Dabei gibt es umweltfreundliche Alternativen. Zum Beispiel Verpackungen aus Zuckerrohr, Palmblattgeschirr und Bioplastik sind Optionen, auf die Ghost Kitchens unbedingt setzen sollten. Andernfalls stellt das Konzept nicht nur seine Zukunftstauglichkeit in Frage, sondern hat früher oder später die nächste Imagekrise am Hals.
Dass ein Umdenken dringend notwendig ist, zeigt der Anteil an Mikroplastik in den Meeren. Wir zeigen dir, wie du Plastik im Alltag vermeiden kannst.
Essen als Erlebnis
Wenn sich die Qualität und die Liefersysteme weiterhin verbessern, werden Ghost Kitchens schon bald zum Mainstream in der deutschen Gastro-Landschaft. Ohne Alternativpläne, wie Take-away oder Lieferangebote steht klassischen Restaurants ein harter Kampf bevor. Das Überleben der Krise ist also kein Erfolgsgarant. Das Essen außer Haus muss zu einem Erlebnis werden, das neben einer geschmackvollen Einrichtung noch weitere Besonderheiten zu bieten hat. Alles andere wird früher oder später auch von Bringdiensten erfüllt.
Noch mehr Food-Themen?
Während Lieferdienste so gut wie jeden kulinarischen Genuss nach Hause liefern, könnten sich klassische Restaurants auch auf beliebte Spezialitäten fokussieren. Wir zeigen dir, welche Food Trends 2020 angesagt waren und welches Essen purer Luxus ist.
Du legst Wert auf Nachhaltigkeit, vor allem bei deiner Ernährung?
Mit diesen Apps rettest du beim Foodsharing jede Menge Lebensmittel oder machst dir den nächsten veganen Einkauf im Supermarkt ganz einfach.