Dieser Moment, in dem du deinen Fähigkeiten folgst, sie kontrollierst und gleichzeitig fließen lässt; du schon während des Prozesses ein Gefühl des Glücks und der Ekstase verspürst; du deinen Fokus einzig und allein der Aufgabe widmest: Dann bist du im Flow. Hier erfährst du, wie du in diesen Prozess eintauchst.
So kommst du in deinen Flow!
Wer erfand die Theorie des „Flows“?
Das Schachspielen machte ihn zum Vater des Flows. Mihály Csikszentmihályi hat als Zehnjähriger gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Halt und vor allem Glück im Königsspiel gefunden. Während die Welt, wie er sie kannte, immer weiter zusammenbrach, vergaß der kleine Csikszentmihályi beim Spielen alle negativen Gedanken. Sein Fokus lag einzig und allein auf der Strategie seiner nächsten Züge – jedenfalls dann, wenn der Gegner weder unbesiegbar noch ungeübt war.
Dieses Gefühl faszinierte ihn. Wie konnte diese Hochstimmung so stark sein, dass es alles andere, die alltägliche Realität verdrängte? Fortan begleitete Csikszentmihályi dieses Glück-Erlebnis. In seiner jahrzehntelangen Forschung befasste sich der studierte Psychologe zunächst mit der Suche nach Auslösern für Glücksgefühle. Dabei fand er heraus, dass Materielles nicht für eine solch intensive und anhaltende Hochstimmung sorgen konnte.
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Nach dieser Erkenntnis untersuchte er über Jahre das Verhalten von Menschen in ihren Berufen – von Wissenschaftler:innen bis hin zu Künstler:innen. In Gesprächen mit den ihnen ergab sich, dass sie während dieser Art der Erlebnisse Ekstase empfanden. Ein weiteres Merkmal war das Gefühl, etwas Bedeutsames erschaffen zu haben. Zudem stellte sich heraus, dass die Befragten sich in der Situation wie in einem Tunnel befanden.
Es gab in solchen Situationen weder die Außenwelt noch externe Einflüsse – genauso wenig wie für Csikszentmihályi als Kind beim Schachspielen. Diesen fließenden Moment nannte er „Flow“. Die Theorie davon verbreitete sich fortan in der ganzen Welt.
Flow-Zustand – Tunnel mit Weitblick
Die Vorstellung eines Tunnels ist bei den meisten nur dann positiv, wenn sie an das Licht am Ende desselben denken. Als Metapher beschreibt der isolierte Weg das Flow-Erleben allerdings ganz passend. Mit dem Beginn der Ekstase wird ein Schritt in eine andere Wirklichkeit gegangen. Schon damals hat die Menschheit Räume für Momente der Ekstase erbaut, in denen das Alltägliche keinen Zutritt hatte – zum Beispiel Tempel und Arenen.
Auch heute noch reisen Menschen vor allem in kreativen Berufen zu Orten, die sie inspirieren. Doch auch ohne inspirierende Umgebung kann ein Flow-Zustand entstehen und mit ihm die Flucht aus alltäglichen Begebenheiten. In solchen Augenblicken richten sich unser Empfinden und die Achtsamkeit nur noch auf das Flow-Erlebnis und was wir dabei erschaffen. Das ist auch kein Wunder: Unser Nervensystem kann maximal 110 Bits an Informationen pro Sekunde aufnehmen.
Allein beim Zuhören eines Vortrags werden 60 Bits verbraucht. Ein Flow-Moment benötigt alle Kapazität des Nervensystems, sodass sogar Bedürfnisse wie Hunger in den Hintergrund rücken. Erst wenn der Flow vorbei ist, wenn wir etwas Bemerkenswertes erreicht haben, können wir unsere Aufmerksamkeit wieder dem Alltag, uns und unseren Bedürfnissen widmen.
Was macht ein Flow-Erlebnis aus?
Wenn man sich die Beschreibung eines Flow-Zustandes anschaut, ist klar, dass die gesamte Kapazität des Nervensystems eingespannt ist. Mihály Csikszentmihályi definierte dieses Sein als eine intrinsisch motivierte Tätigkeit, in der das maximale Potenzial abgerufen wird. Sich ganz und gar den rasenden Gedanken und spontanen Handlungen hingeben, dominiert von Begeisterung und Hingabe: Dieser Prozess des Erschaffens geht mühelos von der Hand. Grundvoraussetzung für ein Flow-Erleben ist eine Herausforderung, die dem eignen Können gewachsen ist.
Eine erwachsene Person erlebt daher wohl kaum einen Flow bei alltäglichen, einfachen Dingen wie das Schmieren des Frühstück-Brotes. Die Aufgabe darf allerdings auch nicht zu groß sein, wie etwa das Erstellen einer Website, ohne dass man je Erfahrungen in dem Bereich gemacht hat. Erst die Herausforderung macht aus der Ekstase einen Flow: So wird eine Achterbahnfahrt zur temporären Freude, während ein Flow-Erlebnis, wie das Komponieren eines neuen Songs, für Wohlbefinden mit Kompetenzsteigerung sorgt.
8 Indikatoren für einen Flow
In der Flow-Theorie hat Mihály Csikszentmihályi acht Elemente definiert, die ein solches Erlebnis beschreiben. Bereits ein Element reicht aus, um einen Flow zu erfahren.
Indikator 1 – klare Ziele
Dieses Element zeigt sich meist bei sportlichen Disziplinen oder künstlerischen Aufgaben. Als „klassische“ Flow-Aktivitäten haben solche Tätigkeiten meist von Anfang an ein Ziel definiert. Definierst du ein klares Ziel, wird es wahrscheinlicher, dass du den Flow erreichst. Erfolge oder Misserfolge, die du dabei unmittelbar erfährst, werden zum Feedback.
Indikator 2 – voller Fokus
Viele kennen Momente, in denen man gefühlt tausend Dinge auf einmal macht. Und auch die Gedanken kreisen bereits bei der nächsten Tätigkeit. Ist die Konzentration vollkommen auf eine spezifische Aktivität gerichtet, ist dies ein Anzeichen für ein Flow-Erlebnis.
Indikator 3 – angemessene Herausforderung
Ein bereits oben erwähntes Element ist das Gleichgewicht von Anforderungen und Fähigkeiten. Die Aufgabe muss dem eigenen Können entsprechen und darf weder zu komplex noch zu alltäglich sein. Statt eines Flow-Momentes erleben wir ansonsten Langeweile oder Frustration.
Indikator 4 – eigene Kontrolle
In einem gelösten Gefühl, ganz ohne Angst, die Kontrolle besitzen – das kannst du in einem Flow erfahren.
Indikator 5 – pure Leichtigkeit
Die Aktivität während eines Flow-Erlebnisses fühlt sich mühelos an. Es ist ein automatisches Ineinandergreifen von Bewegen und Gedanken – nicht umsonst heißt es „Flow“. Der eigenen Person kommt es vor, als ob kaum Anstrengung nötig wäre, um das Bestreben zu erreichen.
Indikator 6 – verändertes Zeitempfinden
Neben der Umwelt und den eignen Bedürfnissen vergessen wir in einem Flow-Zustand auch die Zeit. Stunden können rasen und sich wie Minuten anfühlen oder sich auch in die Länge ziehen. Wenn wir im „Fluss“ sind, spielt die Zeit keine Rolle mehr.
Indikator 7 – eine Einheit
Durch den Fokus während eines Flows verschmelzen unsere Handlungen und das Bewusstsein. Den Raum, den wir unseren Ängsten und Sorgen im Alltag geben, ist in diesen Moment geschlossen. Stattdessen erleben wir uns als Einheit.
Indikator 8 – IROI spüren
„Immediate Return on Investment“, kurz IROI, beschreibt das befriedigende Gefühl, das bereits während des Flows und nicht erst mit dem Erreichen des Ziels auftritt. Ganz nach dem Motto: Der Weg ist Ziel.
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„Flow State“ in der Psychologie – so hat er sich weiterentwickelt
Flow hat sich nicht nur als Begriff etabliert, sondern auch die Theorie dahinter. Zu Lebzeiten rief Mihály Csikszentmihályi das „Quality of Life Research Center“, ein gemeinnütziges Forschungsinstitut, ins Leben, das sich mit positiver Psychologie befasst. Dabei liegt der Fokus auf menschlichen Stärken wie Optimismus, Kreativität und intrinsische Motivation.
Auch in Deutschland beschäftigen sich diverse Institute mit dieser Art der „Positive Psychology“. Teilweise bieten sie Workshops an, die helfen sollen, in den Flow-Zustand zu finden. Ein Beispiel ist die „Flow Akademie“ in Berlin. Mitgründer und Leiter dieser Akademie Dr. Gerhard Huhn stand selbst lange mit Mihály Csikszentmihályi in persönlichen Austausch.
Er hat das Konzept des Flow-Vaters um die Werteorientierung weiterentwickelt. Die Frage nach dem Sinn spielt dabei eine entscheidende Rolle. Denn Dr. Huhn weiß, dass sich das Streben nach Erfolg gewandelt hat. Es geht nicht um materielle und ideelle Belohnungen, sondern um die Sinnhaftigkeit, den Purpose, eng verbunden mit dem eigenen Wertesystem.
Das Konzept des „Dreidimensionalen Flow-Raums“ von Dr. Huhn setzt bei den individuellen Talenten an. Statt Schwächen zu bekämpfen, sollen die eignen Begabungen gestärkt werden. Es geht darum, sie so zu entfalten, dass wir dies als sinnhaft und wertvoll empfinden – daran wachsen. Im dreidimensionalen Flow-Raum wird das Bedürfnis des Menschen nach dem Sinn mit den individuellen Fähigkeiten und dem Glücksgefühl in einem Flow zusammengebracht.
„Talente leben lernen“ – so nennt Dr. Gerhard Huhn diesen Ansatz, den er auch in seinen Workshops praktiziert. Egal, ob von Seminaren angeleitet oder durch die eigene Motivation: Entscheidend, um in einen Flow zu gelangen, sind die Indikatoren eins bis drei sowie der mentale Umgang mit der Handlung.
Autorin: Judith Püschner