Veröffentlicht inPsychologie

Traumforschung: Wieso sehen wir im Traum keine Gesichter?

Gesichter im Traum erscheinen häufig verschwommen und verschleiert. Selbst dann, wenn wir die Person kennen. Ein Experte erklärt, woran das liegt.

Frau mit unscharfem Gesicht
u00a9 Aarrttuurr - stock.adobe.com

Was ist der Mandela-Effekt?

Kennst du das? Du erinnerst dich an Ereignisse oder Dinge, von denen du felsenfest überzeugt bist, dass sie stimmen? Umso mehr überrascht es dich, wenn die sichere Wahrheit doch keine ist? In der Psychopathologie ist dieses Phänomen als Konfabulation bekannt.

Versuch dich mal, an das Gesicht deiner Mutter zu erinnern. Kannst du dir genau vor Augen führen, wie ihre Augen oder ihre Mundpartie aussehen? In der Wissenschaft geht man davon aus, dass wir zwar Gesichter problemlos wiedererkennen können, wenn wir sie sehen – die Erinnerung an sie jedoch kaum wachrufen können. Erklärt das auch, wieso wir Gesichter im Traum nicht sehen können? Wir haben nachgeforscht.

Das Gesicht vor dem inneren Auge abrufen

Allgemein gehen Forscher wie Dr. Jürgen M. Kaufmann von der Friedrich-​Schiller-​Universität Jena, Institut für Psychologie, davon aus, dass Menschen, die Gesichter schnell wiedererkennen können, auch in der Lage sie, sich diese besser in Erinnerung zu rufen. Jedoch lässt sich diese Annahme wissenschaftlich kaum überprüfen, da wir uns in der Regel oft völlig falsch einschätzen, schildert er gegenüber der Seite dasgehirn.info.

Am Beispiel von Fremdsprachen bedeutet das: Wir können einen Reiz besser beurteilen, wenn dazu ein konkreter Input vorliegt. Meist fällt es uns leichter, eine andere Sprache zu verstehen, als sie selbst zu sprechen und die Vokabeln parat zu haben. Das bedeutet: Ein Gesicht auf einem Foto oder in realen Leben wiederzuerkennen, ist deutlich leichter, als das Bild eines Gesichts im Geist abzurufen.

Frau Schleier Himmel
Gesichter sind im Traum häufig verschleiert, verschwommen und unklar. Foto: Getty Images/ Rieko Honma

4 Gründe, warum wir keine Gesichter im Traum erkennen

Kein Wunder also, dass wir Gesichter auch im Traum wenig bis gar nicht erkennen können. Das liegt an der Art und Weise, wie unser Gehirn im Schlaf arbeitet.

1. Reduzierte Gehirnaktivität

Während des Träumens, besonders im REM-Schlaf (Rapid Eye Movement), sind bestimmte Teile unseres Gehirns weniger aktiv. Dazu gehört auch der präfrontale Kortex, der für das logische Denken und die Verarbeitung von Details zuständig ist. Dadurch fällt es uns schwer, detaillierte und klare Bilder, einschließlich Gesichter, zu erzeugen.

2. Gehirn speichert keine Gesichter

Unser Gehirn speichert keine exakten Abbilder von Gesichtern, sondern nur allgemeine Merkmale und Emotionen, die wir mit diesen Gesichtern verbinden. Im Traum werden diese Informationen oft ungenau und verschwommen rekonstruiert. Einige Forscher:innen nehmen daher auch an, dass wir nur von bekannten Gesichtern träumen, die wir gut kennen.

3. Gesichter im Traum: Die visuelle Verarbeitung ist anders

Die visuelle Verarbeitung im Traum ist anders als im Wachzustand. Im Wachzustand verarbeiten wir visuelle Informationen direkt durch unsere Augen und das visuelle System im Gehirn. Im Traum hingegen müssen diese Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen und neu zusammengesetzt werden, was oft zu ungenauen oder verzerrten Bildern führt.

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Außerdem können dabei verschiedenen Unterscheidungsmerkmale zum Einsatz, die für das Erinnern zuständig sind. Wir greifen dazu auf Eigenschaften zurück, die wir gut beschreiben können, wie zum Beispiel die Form der Lippen, die Grüße der Nase oder die Augenfarbe.

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4. Emotionale Bedeutung überschattet Gesichter

Träume haben oft mehr mit Emotionen und weniger mit präzisen visuellen Details zu tun. Das bedeutet, dass das Erkennen von Gesichtern im Traum weniger wichtig ist als das Gefühl, das die Person oder die Situation uns vermittelt. Es gibt also eine Reihe von neurologischen und psychologischen Gründen, warum wir im Traum keine klaren Gesichter erkennen.