Jemand, der selbstverliebt durch’s Leben läuft, wird wohl kaum Liebe für andere Menschen – geschweige denn für seine Eltern übrig haben, oder? Die Frage „Liebt ein Narzisst seine Eltern?“ scheint daher ganz klar zu beantworte. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn auch Narzissten sind Menschen, die hinter ihrer selbstbewussten Fassade tiefe Emotionen verbergen.
Unsere Autorin Anna Chiara setzt sich ehrenamtlich als Erfahrungsexpertin für die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen ein und klärt über Themen rund um mentale Gesundheit und Resilienz auf.
Liebt ein Narzisst seine Eltern?
Narzissten lieben anders
Erstmal – was genau ist Narzissmus? Kurz gesagt: Narzissten haben oft ein aufgeblähtes Selbstbild, sehnen sich nach Bewunderung und zeigen wenig Empathie für andere Menschen. Dabei handelt es sich nicht im einen bösartigen Willen, sondern um eine anerkannte Persönlichkeitsstörung. Sich in andere Menschen hineinzuversetzen und Mitgefühl zu zeigen, ist ihnen nicht möglich. Heißt das auch, dass narzisstische Personen nicht lieben können? Nicht unbedingt.
Sieh’s mal so: Liebe ist kompliziert. Für Narzissten ist das nicht anders. Ihre Art zu lieben ist vielleicht nicht das, was wir als „normal“ betrachten würden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Liebe empfinden können. Es ist nur… anders. Sie spüren diese in Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten auf ihre eigene Art und Weise. Liebt ein Narzisst seine Eltern also bedingungslos?
Liebe als Echo aus der Vergangenheit
Bevor wir die Frage „Liebt ein Narzisst seine Eltern“ beantworten können, müssen wir folgendes verinnerlichen: Narzissten haben oft mit Selbstwertproblemen zu kämpfen. Es mag paradox klingen, doch ihr Narzissmus ist oft ein Schutzschild. Ein Schutz gegen Gefühle der Minderwertigkeit. Und das beeinflusst natürlich auch, wie sie Liebe empfinden und zeigen.
Der Händler tauscht Liebe gegen Bewunderung
Es wird vermutet, dass Narzissten ihre Eltern nur lieben, wenn sie etwas davon haben und im Rahmen der Beziehung ein Goodie für sie herausspringt. Das mag teilweise wahr sein. Betroffene neigen dazu, Beziehungen als etwas zu sehen, das ihnen nutzen muss. Allerdings ist das nur ein Teil der Geschichte.
Manchmal spiegeln die Gefühle des Narzissten auch wider, wie er als Kind behandelt wurden. Hat er von seinen Eltern viel Liebe erfahren, wird er diese sicher auch zurück geben können – unter der Prämisse, dass er von Mutter und Vater entsprechend bewundert werden möchte.
Auch im höheren Alter sehnen sich Narzissten nach Bestätigung von ihren Eltern. Sie wollen geliebt und bewundert werden. Wenn sie das von ihren Eltern bekommen, dann können sie auch ihre Liebe erwidern. Es ist ein bisschen wie ein Handel – Liebe gegen Bewunderung.
Das ungeliebte Kind liebt nicht
Fühlte sich der Narzisst als Kind ungeliebt, könnte er sich auch später im Leben wertlos und minderwertig fühlen. Um das zu kaschieren, entwickelt er eine Überlebensstrategie: den Narzissmus. Es ist sein Schutzmechanismus, um sich weniger vernachlässigt und missverstanden zu fühlen. Einige dieser Menschen hegen einen Groll gegen ihre Eltern, da sie ihnen dafür die Schuld geben. Von Liebe kann in diesem Fall nicht die Rede sein.
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Fazit: Liebt ein Narzisst seine Eltern wirklich?
Am Ende des Tages ist die Liebe eines Narzissten zu seinen Eltern so vielschichtig und kompliziert wie der Narzissmus selbst. Daher lässt sich nicht pauschal sagen, ob ein Narzisst lieben kann oder nicht. Es ist vielmehr ein Spektrum von Gefühlen, das von bedingungsloser Bewunderung bis hin zu tiefer Abneigung reichen kann.
Wenn ein Narzisst sagt, er liebt seine Eltern, dann meint er das durchaus auch so. Dennoch kann seine Art zu lieben selbstsüchtig und bedingungsabhängig sein. Es ist eine Liebe, die vielleicht mehr auf den eigenen Bedürfnissen als auf denen der Eltern basiert. Sie ist anders als das, was wir als Liebe beschreiben würden, da sie von den eigenen Erfahrungen und natürlich dem Grad des Narzissmus geprägt wird.