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„Die mögen mich nicht“ – Die Wahrheit über das Phänomen Liking Gap

Ich glaube, ich wirke unsympathisch auf andere. Wie ich darauf komme? Eine Psychologin erklärt, was die Liking Gap mit uns macht.

Liking Gap junge Frauen in einer Gruppe
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Das sind die drei populärsten Persönlichkeitstests

Persönlichkeitstests sind eine gute Methode, um Charaktereigenschaften von Menschen besser einschätzen zu können. Hier sind die drei populärsten im Kurzüberblick.

Auf einer Party lerne ich neue Menschen kennen und unterhalte mich sehr nett mit ihnen. Abends liege ich im Bett und meine Gedanken kreisen: Habe ich etwas Peinliches erzählt? Fanden die mich seltsam und haben vielleicht nur aus Höflichkeit mit mir gesprochen? Hand aufs Herz: Wir alle hatten schon einmal diese Sorgen. In der Psychologie bezeichnet man dieses Szenario als Liking Gap. Gewisse Personen sind davon eher betroffen als andere. Wir wissen, woran das liegt und wie du aus dem Gedankenkarussell aussteigst!

Anna Chiara schreibt aus Erfahrung.
Foto: privat

Unsere Autorin Anna Chiara setzt sich ehrenamtlich als Erfahrungsexpertin für die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen ein und klärt über Themen rund um mentale Gesundheit und Resilienz auf.

Liking Gap: Warum glauben wir, dass andere uns nicht mögen?

Die „Liking Gap“ ist ein psychologisches Phänomen, dessen Bezeichnung sich aus den englischen Begriffen „liken“ (mögen) und „gap“ (Lücke) zusammensetzt. Und der Name ist Programm: Es beschreibt, wie Menschen dazu neigen, zu unterschätzen, wie sehr sie von anderen gemocht oder geschätzt werden.

Kurz gesagt: Wir denken oft, dass andere uns weniger sympathisch finden, als sie es tatsächlich tun. Dieses Missverhältnis führt in sozialen Situationen häufig zu Unsicherheiten und Selbstzweifeln, obwohl sie in Wirklichkeit meist unbegründet sind.

Lesetipp: Diese 7 Sätze lassen dich bei jedem Menschen sofort sympathischer wirken

Wie entsteht die Liking Gap?

Der amerikanische Wissenschaftler Gus Cooney untersuchte die Theorie der Liking Gap in mehreren Studien. Dabei fand er heraus: Das Gefühl, andere könnten uns unsympathisch finden, rührt von unserem eigenen (meist niedrigem) Selbstwert sowie unseren subjektiven Erfahrungen.

Spannend: Laut der Forschung zeigt sich die Liking Gap immer dann, wenn wir neue Personen kennenlernen oder Menschen treffen, die wir lange nicht gesehen haben. Der Grund: In diesen Situationen sind wir besonders verunsichert.

Selbstzweifel und der innere Kritiker

Wir tendieren häufig dazu, uns selbst kritischer zu sehen als andere. Im Gespräch achten wir darauf, wie wir wirken, ob wir das „Richtige“ sagen oder welche Fehler wir vielleicht machen. Diese Selbstkritik schärft den Blick für vermeintliche Schwächen – was dazu führt, dass wir denken, andere nehmen uns genauso kritisch wahr. Dabei sind Menschen oft weniger auf unser Verhalten fokussiert als auf den Inhalt des Gesprächs oder darauf, ob die Interaktion angenehm ist.

Die eigene Analyse

Manchmal liegen wir abends im Bett und lassen den Tag Revue passieren. Dabei überlegen wir „Habe ich mich vorhin im Meeting peinlich benommen?“ oder „War ich zu direkt gegenüber meiner Freundin?“. Solche negativen Gedanken befeuert das Gefühl, unser Gegenüber könnte uns unsympathisch finden. Also: lass sie vorbeiziehen und konzentriere dich auf Positives!

Hinzu kommt, dass wir zum Beispiel einen neutralen Gesichtsausdruck direkt als Desinteresse einstufen, obwohl es oft nur das „normale“ Gesicht unserer Freundin ist. Eine Fehlinterpretation, die dazu führt, dass wir das Interesse und die Sympathie anderer unterschätzen.

„Du hast ja nichts gesagt“

Oft teilen Menschen einander nicht explizit mit, dass sie die Gesellschaft der anderen genießen. Auch wenn sie positive Gefühle haben, bringen sie diese nicht immer zum Ausdruck, was es schwer macht, die Sympathie des Gegenübers richtig einzuschätzen. Ein Schweigen gibt uns dann das Gefühl, nicht gemocht zu werden, obwohl das gar nicht der Fall ist.

Mal ganz abgesehen von den gesellschaftlichen Normen, die uns anerzogen haben. Aus Höflichkeit oder Scham bringen viele Leute Komplimente oder plumpe Zugeständnisse nur schwer über die Lippen, weiß arbeits-abc.de.

Freundinnen lachen
Liking Gap: Wir wirken nicht so negativ auf andere Menschen, wie wir es selbst glauben. Foto: Getty Images/ Catherine Falls Commercial

Die Auswirkungen der Liking Gap

Die Liking Gap kann die Art und Weise beeinflussen, wie wir auf andere Menschen zugehen und wie wohl wir uns in sozialen Situationen fühlen. Die Psychologin Terri Apter erklärt gegenüber der Zeitschrift Psychology Today: Wer annimmt, weniger gemocht zu werden, könnte sich zurückziehen oder soziale Interaktionen vermeiden. So rutschen wir immer tiefer in die negative Gedankenspirale.

Um dort herauszukommen, empfiehlt Terri Apter: Mach dir bewusst, dass die Liking Gap gibt und lerne mit der Zeit, deine eigenen Gedanken kritisch zu hinterfragen und zu erkennen, dass sie oft nicht der Realität entsprechen. Wenn du also künftig mit anderen Menschen spricht und vermutest, dein Gegenüber könnte dich nicht mögen, achte auf ganz bestimmte Anzeichen.

4 versteckte Hinweise, dass dich jemand mehr mag, als du denkst

Ob kollegiale Beziehungen, Rendezvous oder Freundschaften – wir werden uns immer wieder in Situationen befinden, in denen wir nicht einschätzen können, ob unser Gegenüber uns mag. Vielmehr noch: Wir werden davon ausgehen, nicht gemocht zu werden. Im Folgenden findest du deshalb einige Anzeichen, die darauf hindeuten, dass du besser ankommst, als du glaubst.

1. Der entscheidende Augenblick

Ein Blick verrät mehr als tausend Worte – das gilt vor allem in der Kommunikation. Sucht dein Gegenüber in eurem Gespräch immer wieder den Blickkontakt zu dir und schaut sich an, während du sprichst? Dann bist du ihr/ihm sympathisch und sie/er fühlt sich in deiner Umgebung wohl. Menschen, die uns mögen, suchen bewusst die Interaktion zu uns.

2. „Und wie war das bei dir?“

Häufiges Nachfragen zeigt: Hey, ich habe Interesse an dir und dem, was du erzählst. Ein deutliches Zeichen dafür, dass dein Gegenüber dich sympathischer findet, als du annimmst und deine Gesellschaft zu schätzen weiß.

3. Zufälliger Körperkontakt

Du erzählst einen Witz. Dein Gegenüber lacht, wendet sich mit dem Oberkörper in deine Richtung und legt dir die Hand auf die Schulter? Diese physischen Anzeichen zeigen: Du bist ihr oder ihm sympathischer und musst dir über die Liking Gap keine Sorgen machen. Versuche, die subtilen Hinweise – ob unbewusst oder bewusst – der Körpersprache wahrzunehmen.

4. Du Nachmacher!

Plötzlich benutzt deine Freundin dieselben Floskeln wie du und macht immer wieder diese eine Geste, die sie bei dir sonst belächelt? Liking Gap, ade! Dann hier kommt ein anderes psychologisches Phänomen ins Spiel: Mimikry. Gemeint ist, dass unser Gegenüber bestimmte Verhaltensweisen von uns übernehmen, zum Beispiel Körperbewegungen oder die Redensart. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass ihr euch mögt!

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Liking Gap: 100 Jahre später – Zeit, umzudenken!

Um gar nicht erst in die Liking Gap zu rutschen, müssen wir also umdenken und uns auf die positiven Anzeichen unseres Gegenübers konzentrieren. Gar nicht so einfach, denn die negative Denkweise begleitet uns bereits seit fast 100 Jahren, schreibt die Brigitte. So schrieb der Harvard-Psychologe William James, dass es damals überlebensnotwendig war, sein Gegenüber richtig einzuschätzen. Einer Gruppe anzugehören, erhöhte die Überlebenschancen gegenüber Säbelzahntigern und Co. enorm. Eine Strategie, die wir in der heutigen Zeit getrost loslassen können.