Ärztehopping mit erfundenen Krankheitsgeschichten – das Münchhausen Syndrom ist für viele Menschen ein unbegreifliches Phänomen. Betroffene trinken giftige Substanzen, unterziehen sich gefährlichen Eingriffen und fügen sich oder anderen absichtlich Schmerzen zu. Welche Motivation dahinter steckt und was das mit Narzissmus zu tun hat.
Unsere Autorin Anna Chiara setzt sich ehrenamtlich als Erfahrungsexpertin für die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen ein und klärt über Themen rund um mentale Gesundheit und Resilienz auf.
Münchhausen Syndrom und Narzissmus
Münchhausen Syndrom – Definition
Das Münchhausen Syndrom ist eine psychische Störung, bei der Betroffene bewusst Krankheitssymptome erfinden oder selbst herbeiführen. Der Grund: Sie versuchen, Mitleid und Aufmerksamkeit durch eine medizinische Behandlung zu erlangen. Häufig kommt es vor, dass Betroffene so tun, als wären sie krank. Dabei geht es nicht darum, bloß mal einen Tag „krankzumachen“.
Das Münchhausen Syndrom ist eine ernst zu nehmende Störung, bei der sich Betroffene oft unnötigen Untersuchungen, riskanten Operationen und Behandlungen im Krankenhaus aussetzen, um Aufmerksamkeit und Fürsorge zu erfahren. Sie gehen oft bis zum Äußersten, erleiden echten körperlichen Schaden oder manipulieren Tests.
Täuschend echte Symptome
Das Tückische am Münchhausen Syndrom ist, dass die Betroffenen ihre Symptome oft so überzeugend darstellen, dass selbst Ärzte und Ärztinnen getäuscht werden. Klappt dies nicht mehr, wechseln sie die Praxis und der Kreislauf beginnt von vorne.
Um ihre Geschichten noch glaubwürdiger zu machen, glänzen sie mit guten medizinischen Kenntnissen und werfen mit Fachbegriffen um sich. Daher ist das Münchhausen Syndrom schwer zu diagnostizieren. Weitere Anzeichen können sein:
- Widersprüchliche Symptome: Die berichteten Symptome passen oft nicht zusammen oder widersprechen den medizinischen Befunden.
- Dramatische, aber vage Beschreibungen: Sie neigen dazu, ihre Symptome sehr dramatisch, aber gleichzeitig vage und unpräzise zu beschreiben.
- Symptome verschlimmern sich oder ändern sich: Wenn Ärzte Tests durchführen, können die Symptome plötzlich schlimmer werden oder sich ändern.
- Symptome treten nur alleine auf: Die Symptome sind oft nur präsent, wenn andere Personen anwesend sind, verschwinden aber, wenn die Person alleine ist.
- Häufiger Arztwechsel: Personen mit dem Münchhausen Syndrom wechseln oft die Arztpraxis, um zu verhindern, dass ihre Täuschungen aufgedeckt werden.
- Häufige Krankenhausaufenthalte: Sie haben eine Geschichte von vielen Krankenhausaufenthalten, jedoch oft ohne klare Diagnose.
- Anzeichen von Selbstverletzungen oder Manipulation von Tests: Hinweise darauf, dass sie sich selbst verletzt haben oder medizinische Tests manipulieren, um Krankheitssymptome zu erzeugen.
Hängt das Münchhausen Syndrom mit Narzissmus zusammen?
Wie der SWR berichtet, sind Männern etwas häufiger betroffen als Frauen. Das Münchhausen Syndrom tritt dabei oft in Kombination mit anderen psychischen Störungen wie Borderline oder Narzissmus auf. Die Folge: Betroffenen sind nicht in der Lage, ihr zwanghaftes Lügen zu reflektieren und enge Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.
Bei Frauen äußert sich meist das Münchhausen Stellvertreter Syndrom. Das bedeutet: Die Person verletzt nicht sich selbst, sondern andere Menschen. In der Regel handelt es sich bei den Betroffenen um Mütter, Großmütter oder Babysitterinnen, die Säuglingen und Kleinkindern Schaden zufügen.
Sowohl beim Münchhausen Syndrom als auch beim Narzissmus streben Betroffene nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. Allerdings gibt es einen kleinen, aber feinen Unterschied. Während Narzissten vor allem Bewunderung suchen, geht es beim Münchhausen Syndrom mehr um Mitgefühl und Fürsorge.
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Neigen Narzissten eher zum Münchhausen Syndrom?
Auch wenn beide Störungen manchmal Hand in Hand gehen, lässt sich nicht eindeutig sagen, dass Menschen mit Narzissmus eher zum Münchhausen Syndrom neigen. Obwohl beide Störungen das Aufmerksamkeitsbedürfnis teilen und sich ähnlich erscheinen, unterscheiden sie sich in ihren Motivationen und Ausdrucksformen. Allerdings erfordern beide Störungsbilder ein tiefes Verständnis und Mitgefühl – nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Menschen in ihrem Umfeld.