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Präkrastination: Wenn der Drang, alles erledigen zu müssen, kein Ende nimmt

Präkrastination ist das Gegenteil von Prokrastination. Was genau hinter diesem Phänomen steckt, erfährst du hier.

Präkrastination Frau sitzt mit verschränkten Armen auf dem Boden
© nicoletaionescu - stock.adobe.com

Tabu-Thema Psyche: Warum wir mehr auf unsere Seele achten sollten

Sind wir körperlich krank, gehen wir zum Arzt. Ist jedoch unsere Psyche instabil, tun wir uns weitaus schwerer, uns von einem Fachmann helfen zu lassen. Irgendwie ist das Thema tabuisiert und kompliziert. Dabei sollte uns eine gesunde Psyche genauso wichtig sein wie ein gesunder Körper.

Bestimmt hast du bereits vom Begriff der Prokrastination gehört, der vor allem unter Studierenden bekannt ist. Wer prokrastiniert, vermeidet es fast schon zwanghaft, produktiv zu werden. Doch darum soll es hier nicht gehen. Dieser Artikel befasst sich mit dem gegenteiligen Phänomen: der Präkrastination.

Dieser Begriff beschreibt, dass Aufgaben nicht möglichst lange liegen, sondern möglichst schnell abgearbeitet werden sollen. Was hinter dieser Besonderheit der modernen Arbeitswelt steckt und welche Tücken dahinter lauern, liest du hier.

Präkrastination: Was bedeutet das?

Der Begriff der Präkrastination wurde erstmals durch den Psychologie-Professor David A. Rosenbaum im Jahr 2014 eingeführt. Er lehrt an der Pennsylvania State University und forschte hier zu dem gegenteiligen Phänomen der Prokrastination. Dafür führte er verschiedene Testreihen mit seinen Studierenden durch.

Lesetipp: Mit der 5-Sekunden-Regel schiebst du nie wieder Aufgaben auf

Ein Testaufbau sah vor, dass in einem Gang zwei Wassereimer aufgestellt wurden. Wobei ein Eimer weiter vorne als der andere stand. Dann wies er die Studierenden an, einen der beiden Eimer ans Ende des Ganges zu tragen. Nun könnte man annehmen, dass die meisten erst den hinteren Eimer anhoben, um ihn eine kürzere Distanz zu tragen. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass die meisten Studienteilnehmer:innen bereits den ersten Eimer wählten und ihn bis ans Ende des Ganges trugen.

Rosenbaum schlussfolgerte daraus, dass der psychologische Druck, mit der Aufgabe auch nur ein paar Schritte länger zu warten, einfach zu groß war. Nach ihm packt man Aufgaben daher lieber gleich an, statt sie liegenzulassen. Dieses dringende Verlangen, bestimmte Aufgaben schnell zu erledigen, nannte er Präkrastination.

Frau Kopfschmerz
Bei der Präkrastination wollen Aufgaben direkt und schnell erledigt werden. Was dahinter steckt & wie gefährlich das sein kann, liest du hier. Foto: IMAGO / Westend61

Wieso neigen wir zur Präkrastination?

Eingangs habe ich bereits geschrieben, dass sich das Phänomen der Präkrastination vor allem in der modernen Arbeitswelt finden lässt. Prokrastination wird im Kontrast dazu gerne als Krankheit Studierender verstanden.

Präkrastination findet sich also vor allem im stressigen Joballtag. Umso mehr, wenn dieser besonders durch die Digitalisierung geprägt ist. Denn laut Forscher:innen würde sich hier im besonderen Maße zeigen, wie sehr der technische Wandel unser aller Leben beschleunigt hat. Die Zeit scheint heute immer schneller zu vergehen. Das führt letztlich dazu, dass wir uns getrieben fühlen, Aufgaben möglichst schnell und effizient zu erledigen.

Der Präkrastination liegt zum einen der Wunsch zugrunde, Aufgaben abzuhaken, um danach Freizeit genießen zu können. Die traurige Wahrheit kennen wir jedoch alle: Die Aufgaben nehmen kein Ende. Man denke nur an die nie enden wollenden Mails und diese verfluchte ständige Erreichbarkeit. Wer will, kann heute 24/7 arbeiten. Und sich dabei schneller im Präkrastinieren verlieren, als das Wort Resilienz ausgesprochen werden kann.

Hinzu kommt der Umstand, dass wir heute getrieben von dem Gedanken sind, Karriere machen zu müssen. Unser Benzin? Die Anerkennung anderer. Und wie bekommen wir die? Richtig: indem wir Aufgaben schnell, effizient und möglichst gut erledigen. Die Präkrastination winkt hier bereits hinter der nächsten Ecke. Zumal sich nach getaner Arbeit Belohnungsgefühle einstellen, die ihresgleichen suchen. Wobei diese auch nur so lange anhalten, bis wir zur neuen Aufgabe fortschreiten.

Welche Folgen hat das Präkrastinieren?

Du ahnst es sicher schon: Dieser Präkrastinations-Modus ist auf Dauer nicht gesund. Zunächst einmal stellen sich jedoch soziale Folgen ein.: Wer immerzu alle Aufgaben der Arbeit erledigen möchte, lässt soziale Kontakte wie Familie, Freunde und den/die Partner:in links liegen. Zudem bleiben auch die eigenen Bedürfnisse zurück. Wer präkrastiniert, bekommt selten ausreichend Schlaf und auch Sport– sowie Yoga-Einheiten stehen hinten an.

Hinzu kommt, dass unter der Präkrastination auch die Arbeitsergebnisse leiden. Denn alles schnell fertigzumachen, verschränkt tiefer gehende Gedanken sowie Kreativität. Und noch viel gravierender: Fehler schleichen sich leichter ein. Einmal mit der Präkrastination angefangen, hört es sich zudem gar nicht so leicht auf. Immerhin setzt ein Gefühl des Gehetztseins ein. Der Blick wandert stets zur nächsten Aufgabe. Doch im Nacken sitzt stets auch dieses schlechte Gewissen, das Privatleben zu vernachlässigen. Es ist so, als würde man beruflich präkrastinieren und privat prokrastinieren.

Letztlich kommen Präkrastinierer:innen nie richtig im Feierabend an. In extremen Ausprägungen kann das sogar so weit reichen, dass Betroffene nachts wach werden und sich direkt wieder hinter den Schreibtisch klemmen. Die Universität von Utrecht hat dafür gar den Begriff der bedtime procrastination etabliert. Neben Schlafstörungen können sich auf Dauer auch andere körperliche wie auch mentale Folgen wie Depressionen oder ein Burn-out einstellen. Präkrastination ist demnach nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Wie sich Präkrastination vermeiden lässt

Präkrastinieren ist deutlich von motiviertem und leidenschaftlichem Arbeiten abzugrenzen. Wer also gerne mal seine Unterlagen wegarbeitet und dabei völlig die Zeit aus dem Blick verliert, muss sich nicht gleich Sorgen machen. Problematisch wird es aber, sobald die Work-Life-Balance verloren geht.

Du merkst, dass bei dir eindeutig das Privatleben etwas zu lange auf der Strecke geblieben ist? Dann stelle dir nun grundlegend die Frage, was du dir vom Leben wünschst und erhoffst. Was ist dir wirklich wichtig? Fortan solltest du dein Leben genau danach ausrichten. Im Zweifel bedeutet das, den Stift öfter mal fallen lassen und der Familie sowie Freunden mehr Zeit einräumen.

Beherzige außerdem folgende kleine Tipps für weniger Stress im Arbeitsalltag:

  • Checke deine Mails zu festen Zeiten
  • Vermeide es, Messenger-Dienste der Arbeit auf dem privaten Smartphone zu haben
  • Lasse PC und Diensthandy im Feierabend und in den Pausen aus
  • Gehe in Meetings mit einem Block und einem Stift (statt mit einem PC), um dich auf eine Sache fokussieren zu können
  • Mache ausreichend Pausen
  • Genieße deinen Feierabend und verwöhne dich

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Keine Aufgabe der Welt ist so wichtig wie deine Gesundheit

Die moderne Arbeitswelt stellt uns vor zahlreiche Herausforderungen, die wir zu großen Teilen selbst bewältigen müssen. Dazu gehört auch, zu wissen, wann wir genug haben. Höre also darauf, was dir dein Körper sagt. Im Zweifel ist keine Aufgabe es wert, dass du dafür deine Gesundheit riskierst. Statt noch eine Folie der PowerPoint zu bearbeiten, statt nur noch kurz die Mails zu checken oder statt nur noch diesen einen Absatz zu schreiben, gönn dir eine Pause oder den wohlverdienten Feierabend. Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit.