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Mit dir selbst sprechen: Studie zeigt, warum das deine Geheimwaffe ist

Na, sprichst du auch ab und an mit dir selbst? Wir verraten dir, ab welchem Punkt Selbstgespräche nicht mehr ’normal‘ sind.

Frau sieht sich selbst im Spiegel an
© Getty Images/aniecbros

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Gelegentlich erwische ich mich dabei, wie ich mit mir selbst spreche. Sei es in Form von Selbstkritik oder Selbstmotivation. Neulich ist mir beispielsweise mein Cremetiegel heruntergefallen und kaputtgegangen: „Klar, Lisa, hau weg, das Ding!“, ermahnte ich mich dann. Sogar vor Bewerbungsgesprächen kann es vorkommen, dass ich mir selbst im Flüsterton Mut zu spreche: „Du kannst das, du verdienst das!“ Doch ist das wirklich normal? Eine Studie zeigt, warum es sogar ziemlich hilfreich ist, Selbstgespräche zu führen.

Selbstgespräche führen: ein hilfreiches Werkzeug

Wer gibt schon gerne zu, dass er Selbstgespräche führt? Auch mir fielen die ersten Zeilen dieses Textes schwer. Denn das Stigma gegenüber Selbstgesprächen ist groß. Wir werden alle das befremdliche Gefühl kennen: Da steht man beispielsweise im Supermarkt an der Kasse und hört, wie jemand laut Geld zählt oder mit sich selbst spricht, ob er noch etwas vergessen hat. Wir ertappen uns bei dem Gedanken, ob mit der Person alles in Ordnung ist. Immerhin führen wir unsere Selbstgespräche lieber im Privaten.

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Doch Selbstgespräche sind bis zu einem gewissen Grad keineswegs Anzeichen von einer psychischen Störung. Vielmehr sind sie ein hilfreiches Werkzeug, um uns zu organisieren, zu reflektieren und auch, um uns selbst zu bestätigen.

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Selbstgespräche sind völlig normal und sogar sehr hilfreich! Foto: IMAGO / Westend61

Selbstgespräche fangen meist im Kleinkindalter an

Am besten kann man sie bei Kindern im Alter zwischen drei und fünf Jahren beobachten. Denn Kinder dieses Alters sind frei von Scham, voller Fantasie und müssen enorm viele Eindrücke verarbeiten. Die Folge: Sie singen, reden und brabbeln ständig vor sich hin. Damit helfen sie sich selbst beim Nachdenken, beim Lösen von Aufgaben und sortieren Geschehnisse richtig ein. Ich habe mir beispielsweise als Kind an jeder Straße laut vorgesprochen, dass ich erst nach links, dann nach rechts und dann wieder nach links gucken soll.

Dass Selbstgespräche bei Kindern nicht nur häufig, sondern vor allem wichtig sind, beweist eine amerikanische Studie, die 2007 an der George Mason University Fairfax in Virginia veröffentlicht wurde. Diese konnte zeigte, dass Kinder, die ein Rätsel lösten und dabei mit sich selbst sprechen durften, schneller waren als Kinder, denen das Sprechen untersagt war. Übrigens hören Kinder etwa mit dem sechsten Lebensjahr auf, laut Selbstgespräche zu führen und gehen über in den Flüsterton.

Studie weiß: Wer Selbstgespräche führt, ist konzentrierter

Und auch Erwachsene performen besser, wenn sie laut Selbstgespräche führen. So konnte eine amerikanische Studie aus dem The Quarterly Journal of Experimental Psychology nachweisen, dass Selbstgespräche die visuelle Wahrnehmung beeinflussen. Hier sollten die Proband:innen in komplexen Bildern Gegenstände erkennen. Diejenigen, die den Gegenstand laut benennen durften, fanden ihn schneller – jedenfalls so lang der Begriff und sein Abbild sich sehr ähnlich waren. Andernfalls wurde die Suche negativ beeinträchtigt. Selbstgespräche unterstützen demnach bei der laufenden visuellen Verarbeitung.

Frau Spiegel
Selbstgespräche helfen dabei, sich besser zu fokussieren und zu konzentrieren, Foto: IMAGO / Westend61

Wie wertvoll es ist, Selbstgespräche zu führen, wissen auch Leistungssportler:innen. Hier ist es völlig normal, vor Wettkämpfen im inneren Monolog mit sich zu stehen, um sich selbst Mut und Motivation zuzusprechen, aber auch um sich zu beruhigen. Einmal den Fernseher zur Leichtathletik-WM angemacht, wird es keine Minute dauern, bis du solche Selbstgespräche startest.

Übrigens: Thomas Brinthaupt von der Middle Tennessee State University in Murfreesboro hat herausgefunden, dass Einzelkinder deutlich häufiger Selbstgespräche führen als Geschwisterkinder. Und auch wer als Kind einen imaginären Freund hatte, tendiert als Erwachsener eher zu Selbstgesprächen.

Aber Vorsicht: Auf die Art und Weise kommt es an

Selbstgespräche sind am effektivsten, wenn sie aktiv und bewusst stattfinden. Mit sich zu schimpfen, weil man einen Fehler gemacht hat, wie ich in dem Beispiel mit dem Cremetiegel, ist wenig hilfreich. Besser ist es, wertschätzend und geduldig mit sich zu sprechen. Statt sich selbst schlecht zu machen – hierzu neigen vor allem depressive Menschen oder solche, die von Angststörungen betroffen sind – sollte man gnädig und wohlwollend mit sich selbst sprechen.

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Denn Worte, vor allem die eigenen, haben einen großen Einfluss auf unser Denken und Handeln. Wer sich bewusst positiv mit sich unterhält und reflektiert, kann so zum Beispiel das Selbstbewusstsein stärken und an der eigenen Motivation schrauben.

Frau crazy
Selbstgespräche werden ab dem Moment problematisch, an dem man sie nicht mehr mitbekommt oder sie als Fremdgespräche wahrnimmt. Foto: IMAGO / Westend61

Ab diesem Punkt können Selbstgespräche problematisch werden

Wer ab und an Selbstgespräche führt, ist völlig normal und unterstützt obendrein seine eigenen kognitiven Fähigkeiten. Doch was bedeutet „ab und an“? Wie viel ist zu viel?

In der Gesellschaft werden Selbstgespräche häufig mit psychischen Störungen verknüpft. Tatsächlich ist es so, dass Selbstgespräche auch bei mentalen Erkrankungen wie Depressionen, Demenz oder auch bei Psychosen vorkommen. Krankhafte Selbstgespräche lassen sich dann daran erkennen, dass dieselben Sätze immer wieder wiederholt werden oder daran, dass vor sich hingeschimpft wird. Auch wer in der Öffentlichkeit sehr laut mit sich spricht, ist nicht mehr im Rahmen dessen, was die Gesellschaft als ‚normal‘ abstempeln würde. Hier weisen Selbstgespräche in der Regel auf eine mentale Erkrankung hin.

Allerdings empfinden Betroffene diese Gespräche keineswegs als Selbstgespräche. In der Regel hören sie Stimmen oder sprechen zu einer verstorbenen Person. Sie haben also das Gefühl, als würden sie sich mit anderen unterhalten. Sobald Selbstgespräche nicht mehr von Fremdgesprächen unterschieden werden können, werden sie demnach zum Problem.

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Selbstgespräche führen für ein besseres Selbst verstehen

Wir halten fest, dass Selbstgespräche zu führen keineswegs als verrückt abgestempelt werden sollte – so befremdlich es in der Öffentlichkeit auch wirken mag. Vielmehr sollte man sich selbst animieren, viel mehr Selbstgespräche zu führen! Denn die können, solange sie positiv und wohlwollend angelegt sind, wahre Wunder in Sachen Selbstwert, Konzentration und Organisation bewirken.