Wir alle führen Gespräche mit uns selbst. Wieso eigentlich? Und wie können wir diese Gedanken im Alltag nutzen? Wann Selbstgespräche problematisch werden und wie du sie positiv nutzen kannst.
Selbstgespräche: Fluch und Segen zugleich
Wieso führen wir Selbstgespräche?
Wir haben alle zwei Stimmen: die, mit der wir laut zu anderen Menschen sprechen und die Stimme in unserem Kopf. Diese Stimme in unserem Kopf meldet sich meist unregelmäßig, manchmal fangen wir ganz unbewusst damit an, in Gedanken mit uns selbst zu reden. Dann gehen wir vielleicht die To-do-Liste für den anstehenden Tag durch, fragen uns, was es später zum Essen geben soll, lassen vergangene Gespräche mit Freund:innen oder der Familie noch einmal Revue passieren, vielleicht regen wir uns über die Person auf, die uns gerade den Weg abgeschnitten hat oder sprechen uns Mut zu für das anstehende Gespräch mit der Chefin.
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Diese Stimme im Kopf begleitet uns jeden Tag und das ist auch ganz normal. In der Psychologie werden diese Gespräche mit sich selbst als Autokommunikation bezeichnet. Der amerikanische Psychologe Tom Brinthaupt hat in seiner Self-Talk-Skala vier Arten von Selbstgesprächen definiert: Anweisungen, Motivation und Bestärkung, soziale Einschätzung und Selbstkritik. Demnach dienen Selbstgespräche dazu, Impulse zu kontrollieren, die eigenen Handlungen zu steuern, sich zu motivieren, Situationen einzuschätzen oder sich selbst zu kritisieren.
Menschen geben sich selbst zum Beispiel Anweisungen, wenn sie sich konzentrieren, ein kompliziertes Rezept kochen oder im Supermarkt überlegen, was sie noch einkaufen wollten. Wenn Menschen Sport machen oder eine ungeliebte Aufgabe zu Ende bringen wollen, sprechen sie sich selbst gut zu. Auch wenn wir Erlebnisse oder Gefühle verarbeiten, helfen Selbstgespräche, Dinge einzuordnen und die Gedanken zu sortieren. Oft führen wir aber auch Selbstgespräche, wenn wir uns selbst kritisieren, uns zum Beispiel aufregen darüber, wenn die Milch umkippt oder wir die falsche Antwort im Bewerbungsgespräch gegeben haben.
Wann werden Selbstgespräche problematisch?
Selbstgespräche sind erst einmal nichts Schlechtes oder Besorgniserregendes. Problematisch wird es erst, wenn Selbstgespräche nicht mehr ausgewogen sind, die Selbstkritik und negativer Self-Talk Überhand nehmen. Denn Worte sind schädlicher als Taten, das gilt auch für Worte, die man gegen sich selbst richtet.
Negative Selbstgespräche können sich auf viele Arten äußern. Das kann zum Beispiel die negative Einschätzung einer Situation sein wie „Die neuen Kolleg:innen können mich ganz sicher nicht leiden, ich habe nur Unsinn geredet.“ Oder Zukunftsszenarien wie „Das werde ich nie schaffen, ich bin nicht gut genug, um diese Aufgabe zu schaffen“. Oder aber ständiges Hinterfragen wie „Warum habe ich nicht anders reagiert?“. Auch allgemeine negative Feststellungen wie „Ich kann nie etwas richtig machen“ fallen unter negativen Self-Talk.
Auch wenn diese Worte nur in den Gedanken kreisen, wirken sie sich negativ auf die Stimmung und die Psyche aus. Dann fühlen sich Betroffene schlecht und demotiviert, können sich eventuell auf gar nichts mehr außerhalb der negativen Selbstgespräche konzentrieren. Wer sich ständig einredet, nicht gut genug zu sein oder etwas nicht schaffen zu können, wird das auch irgendwann glauben und sich selbst einschränken.
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Tipps: So kannst du Selbstgespräche positiv nutzen
Mit sich selbst zu reden, kann das Leben erleichtern und sich positiv auf unseren Geist auswirken – vorausgesetzt, der negative Self-Talk nimmt nicht den gesamten Raum in den Gedanken an. Mit diesen Tipps lernst du, Selbstgespräche für dich nutzen und nicht mehr so sehr auf die negative Stimme zu hören.
1. Selbstgespräche zur Kenntnis nehmen
Oft reden wir mit uns selbst und bemerken es nicht einmal. Jetzt wo du die Situationen kennst, in denen Menschen oft zu Selbstgesprächen neigen, kannst du gezielt drauf achten. Dann kannst du dir vor einem anstehenden Gespräch zum Beispiel ganz bewusst gut zureden und dich gedanklich darauf vorbereiten. Oder aber das nächste Mal, wenn du negative Selbstgespräche führst, bewusst damit aufhören.
2. Selbstgespräche in reale Gespräche wandeln
Wenn dich derselbe Gedanke wieder und wieder beschäftigt, du merkst, die Gespräche in deinem Kopf drehen sich immer wieder um dasselbe Thema, dann schnapp dir eine vertraute Person und sprich deine Gedanken einfach laut mit diesem Menschen an. Auch wenn Gespräche mit uns selbst in vielen Situationen hilfreich sind, manche Themen muss man einfach mit anderen Menschen ausdiskutieren, um zu einem Schluss zu kommen.
3. Positive Selbstgespräche in den Alltag einbauen
Selbstgespräche kann man auch zur Routine machen und zum Beispiel morgens in den Tagesablauf integrieren. Schenke dir beim ersten Blick in den Spiegel selbst ein Kompliment oder erzähl dir, was dieser Tag alles Gute bereithalten wird. So gibst du dir selbst den positiven Kick für den Tag.
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4. Selbstgespräche in der dritten Person
Selbstgespräche in der dritten Person können dabei helfen, Stress zu bewältigen, Gefühle besser einzuordnen und dich selbst zu beruhigen. Denn dann kannst du dich besser von den Erlebnissen distanzieren und objektiver betrachten, was geschehen ist.
5. Selbstgespräche als Bestandsaufnahme sehen
Schreibe dir ruhig ab und zu auf, welche Dinge du dir selbst in deinem Kopf sagst. Oft sind wir so abgelenkt vom Alltag, dass wir manchmal gar nicht mehr mitbekommen, was uns fehlt, was uns belastet, was wir brauchen. Vielleicht sagst du dir beim Bahnfahren oder beim Einkaufen immer wieder, wie schön es wäre, mal wieder eine bestimmte Person zu treffen, ein neues Hobby anzufangen oder einen Ausflug zu machen. Hör auf diese Hinweise, dein Unterbewusstsein gibt sie dir nicht ohne Grund.
Autorin: Katrin Brahner