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Entschleunigung pur: Was hinter dem Hype um Slow Living steckt

Du möchtest deinen Alltag entschleunigen und Food, die Natur und deine Freizeit mehr genießen? Dann probiere es mal mit Slow Living!

Slow Living – Frau verbringt Zeit in einer Hängematte.
© FOTO Getty Images

Zeitverschwendung - Darum ist sie durchaus sinnvoll

Darum muss "Zeitverschwendung" nicht immer negativ sein.

„Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es wert, langsam getan zu werden“, wusste schon Hollywoodstar Mae West in den 1930ern. Denn wenn wir die Dinge langsam angehen, können wir sie mehr genießen. Wir schätzen die einzelnen Momente mehr wert und entschleunigen unser Leben – das ist das Konzept von Slow Living.

Tue alles in der richtigen Geschwindigkeit

Unsere Kultur ist schnelllebig. Oft gilt es, so viel wie möglich so schnell wie möglich zu erledigen. Entspannung sehen viele als verschwendete Zeit. Mehr als 40 Stunden die Woche zu arbeiten, gilt für viele als Standard. Doch so erleben wir unser Leben nur an der Oberfläche: Die Folgen dieses Marathons sind oft Erschöpfung bis hin zum Burn-out. In dem Konzept von Slow Living geht es darum, sich dem Druck und Sog der Gesellschaft bewusst zu widersetzen, indem du Dinge bewusst tust und Prioritäten setzt.

Dabei meint Slow Living nicht, weniger zu schaffen. Das Konzept steht dafür, alles in der richtigen Geschwindigkeit zu tun. Denn schneller ist nicht immer besser. Beim Slow Living wird Qualität vor Quantität gestellt. Der Schlaf wird nicht der Arbeit geopfert. Gesundheit und Lebenszufriedenheit stehen an erster Stelle. Slow Living bedeutet, sich Zeit für Familie und Freunde zu nehmen. Beziehungen, die unser Leben bereichern, haben Vorrang gegenüber langen Arbeitszeiten im Büro.

Gartenarbeit ist Teil des Slow Living Konzepts.
Slow Living bedeutet, sich mit der Natur zu befassen und bewusst Pausen einzulegen. Foto: FOTO Getty Images

Slow Living: Hintergrund und Geschichte

Das Konzept von Slow Living hat seine Wurzeln in der italienischen Slow-Food-Bewegung der 1980er und 1990er Jahre. Sie wurde von dem Journalisten Carlo Petrini angeführt. Er organisierte Proteste, als der erste McDonald’s Italiens in Rom direkt neben der berühmten Spanischen Treppe eröffnet werden sollte. Petrini und seine Anhänger wollten die Traditionen der Essenszubereitung und des Essensgenusses bewahren, indem sie den Genuss und die Gemeinschaft in den Vordergrund stellten.

Die dem Fast Food innewohnende Kultur der Eile lehnten sie ab: Hamburger, die im Gehen auf der Straße verzehrt werden, anstatt eine Mahlzeit über mehrere Stunden im Gespräch mit Familie und Freunden zu genießen. Slow Living übernimmt diese Konzepte in allen Bereichen des Lebens – nicht nur beim Essen.

Slow Living heute

Brooke McAlary ist Autorin von „Slow. Einfach leben“ und Podcasterin – sie lebt die Werte von Carlo Petrini weiter. Früher war ihr Leben von Hektik bestimmt. Sie war frisch gebackene Mutter, selbstständig, ließ keine soziale Verpflichtung aus und ging regelmäßig ins Fitnessstudio, um ihre alte Figur wiederzubekommen. Auch wenn von außen alles zu stimmen schien, fühlte sie sich innerlich wie betäubt.

In Brooke McAlary wuchs das Gefühl der Sinnlosigkeit. Sie ging zu einer Psychologin. Diagnose: postnatale Depression. In gewisser Hinsicht war das ein großes Glück für sie. Denn so konnte sie sich erlauben, sich mehr Zeit für sich zu nehmen, sich mehr Ruhe zu gönnen und weniger zu arbeiten. Sie beschloss wieder zu schreiben. In einer Bücherei entdeckte sie das Buch „642 kleine Dinge, um darüber zu schreiben“. Sie hoffte, dass ihr das den Auftrieb geben würde, in den Schreibfluss zu kommen, doch das Buch tat vielmehr für sie.

Eine Aufgabe im Buch war: Verfasse deinen eigenen Nachruf in drei Sätzen. Anfangs fand Brooke die Aufgabe morbide und fühlte einen inneren Widerstand. Sie war zu dem Zeitpunkt 32. Doch ließ sie der Gedanke nicht mehr los. Schon bald stellte sie fest – den Nachruf, den sie sich wünschte, passte nicht in das Leben, das sie gerade führte. Sie schrieb ihren Nachruf und begann ihr Leben radikal zu ändern.

Die Spanische Treppe in Rom.
Die spanische Treppe in Rom auf der Carlo Petrini der Slow-Food-Bewegung Proteste gegen den ersten McDonald’s Italiens organisierte. Foto: FOTO Getty Images

Slow Living – eine Entschleunigung des Alltags

SLOW ist gleichzeitig ein Akronym. Es steht für die vier Ziele des Slow Livings. Das S steht für Sustainable (Nachhaltigkeit). Das L steht für lokal, also dafür lokale Produkte und Materialien zu bevorzugen. Das O steht für organisch – Massenproduktion vermeiden. Das W steht für whole (ganz), und bedeutet auf Fertigprodukte zu verzichten.

In ihrem Leben sollte es nicht mehr um die perfekte Figur und Statussymbole gehen. Abenteuer zu erleben, gemeinsam zu lachen und Pläne zu schmieden haben mehr Wert für sie. Sie verkaufte ihr Haus, gab fast alle ihre Besitztümer auf und ging mit ihrem Mann und Kindern für ein paar Jahre auf Reisen. Inzwischen spiegelt ihr Leben nicht mehr Status im Tausch gegen Stress und innere Leere wider. Sie lebt mit ihrer Familie in einem Fibro-Bauernhaus in einem kleinen Dorf. Dort hat die Familie zwei Hunde, viele Obstbäume und eine Fensterspinne namens Fred.

Ihr Nachruf ist für sie bis heute ein Navigator bei schwierigen Entscheidungen. Er gibt ihr ein Gefühl von Klarheit und hilft ihr unvermeidbare Hürden in ihrem Leben zu überwinden. Dazu gehört für sie auch, mit dem ganzen Herzen durch herausfordernde Zeiten zu gehen. Sich zu verstecken oder betäubt zu sein, hat sie hinter sich gelassen. Heute geht sie mit dem Bewusstsein durch den Alltag: Es gibt nur dieses eine Leben – also soll es so gut wie möglich sein. Wie immer das auch aussieht.

Das Konzept Slow Living

Hinter dem Konzept „Slow Living“ steht nicht nur die Entschleunigung. Es wendet sich auch von dem Konsumdenken ab. Lieber Speisen selbst zubereiten, als Fertigprodukte zu kaufen. Gärtnern, anstatt industrielle Anbaumethoden zu unterstützen. Besser reparieren oder flicken, als neu und billig einkaufen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, sich der Natur zuzuwenden: Die Ökosysteme um uns herum wahrzunehmen und zu beobachten und sich mit der Welt verbunden zu fühlen.

Doch in der Realität ist diese Entschleunigung für viele keine Option. Geldnöte, Verpflichtungen und Existenzsorgen machen es schwer, frei von Zwängen zu werden.

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Tipps fürs Slow Living

Hier sind ein paar Möglichkeiten, um das Konzept von Slow Living in Grundzügen in das Leben integrieren zu können:

  • Begrenze die Bildschirmzeit. Nutze Timer für soziale Medien, Fernsehen oder Gaming
  • Gehe spazieren – am besten im Grünen
  • Um von A nach B zu kommen, kannst du anstelle des Autos auch das Fahrrad nutzen. Der Weg ist das Ziel, also genieße diesen. Bei längeren Strecken ist das E-Bike eine gute Wahl, Connectivity-Systeme wie von Bosch erleichtern die Navigation
  • Nimm dir bewusst mal ein paar Tage frei von Arbeit und häuslichen Aufgaben
  • Baue Lebensmittel an und koche Mahlzeiten, insbesondere mit der Familie oder mit Freunden. Esst gemeinsamen an einem Tisch
  • Gehe Hobbys nach und pflege sie
  • Repariere Dinge in deiner Wohnung, anstatt sie zu ersetzen, wie Kleidung oder Möbel
  • Gib gesundem Schlaf den Vorrang
  • Wähle Aktivitäten aus, denen du nachgehen willst. Sage nicht bei jeder Gelegenheit aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus „Ja“
  • Gehe auf Menschen zu und arbeite daran, eine starke Gemeinschaft um dich herum aufzubauen

Autorin: Fränze Kellig