Wer mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung lebt, hat ohnehin mit einer körperlichen und psychischen Zusatzbelastung zu kämpfen. Hinzu kommen die Herausforderungen im Alltag, die mit den Einschränkungen einhergehen. Seien es finanzielle Belastungen, erschwerte Mobilität oder schwierige Voraussetzungen im Job. Ein Schwerbehindertenausweis kann für Entlastung sorgen – doch manchmal bewirkt er auch genau das Gegenteil. Viele Betroffene leiden unter Vorurteilen und weit verbreiteten Irrtümern. Mit den drei häufigsten räumen wir in diesem Artikel auf.
1. Mit Schwerbehindertenausweis ist man arbeitsunfähig
Ein weit verbreiteter Irrtum ist die Annahme, dass ein Schwerbehindertenausweis automatisch bedeutet, dass die betroffene Person nicht mehr arbeiten kann oder will. Dies ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich: Dieser Vorwurf fördert häufig Vorurteile und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Viele Menschen mit Schwerbehindertenausweis sind durchaus in der Lage, einer Arbeit nachzugehen – oft sogar mit großer Motivation und hoher Leistungsfähigkeit.
Tatsächlich sieht das Sozialgesetzbuch sogar vor, dass Menschen mit Schwerbehinderung ein Recht auf besondere Unterstützung am Arbeitsplatz haben, um ihre Arbeitskraft optimal einsetzen zu können. Das kann zum Beispiel durch spezielle Hilfsmittel oder angepasste Arbeitszeiten geschehen. Wer also glaubt, dass ein Schwerbehindertenausweis jemanden automatisch arbeitsunfähig macht, irrt sich gewaltig und tut den Betroffenen damit Unrecht.
2. Der Schwerbehindertenausweis bringt nur „Vorteile“
Zunächst einmal sollte man sich von dem Wort „Vorteile“ in Zusammenhang mit dem Schwerbehindertenausweis verabschieden. Betroffene haben oft hohe Ausgaben und müssen sich um zahlreiche Arzttermine und ihre ständige Medikamentenversorgung kümmern. Dafür erhalten sie einen Nachteilsausgleich in Form eines Steuerfreibetrags oder Mehrurlaub. Und diese Leistungen brauchen sie auch. Allerdings bedeutet der Besitz eines Schwerbehindertenausweises auch, dass die betreffende Person sich öffentlich als schwerbehindert zu erkennen geben muss.
Diese Offenlegung kann zu Stigmatisierung führen, sei es im privaten Umfeld, im Berufsleben oder im Alltag. Menschen mit Schwerbehindertenausweis berichten nicht selten von unangenehmen Erfahrungen, wenn sie ihre Rechte in Anspruch nehmen. Es kann vorkommen, dass sie als „Betrüger:innen“ oder „Simulant:innen“ angesehen werden, vor allem, wenn ihre Behinderung nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Daher ist es wichtig, sensibel und respektvoll mit diesem Thema umzugehen.
Außerdem: Einen Schwerbehindertenausweis bekommt man nicht einfach so geschenkt. Man muss durch strenge Prüfungen durchs Versorgungsamt gehen und im langwierigen Prozess nachweisen, dass man auf Hilfe angewiesen ist.
3. Nur sichtbare Behinderungen rechtfertigen einen Schwerbehindertenausweis
Viele Menschen gehen davon aus, dass nur körperliche Einschränkungen, die sofort erkennbar sind, eine Schwerbehinderung darstellen. Dabei gibt es zahlreiche unsichtbare Behinderungen, die genauso schwerwiegend sein können, wie zum Beispiel chronische Erkrankungen, psychische Störungen oder schwere organische Leiden.
Wer diesem Irrtum Glauben schenkt, kann Menschen mit unsichtbaren Behinderungen erheblich schaden, indem er ihnen ihre Einschränkungen abspricht. Diese Fehleinschätzung führt oft dazu, dass Betroffene zögern, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, obwohl sie eigentlich ein Recht darauf hätten und von den damit verbundenen Hilfen profitieren könnten. Die psychischen Belastungen durch dieses nicht ernst genommen werden, können auf Dauer zu erheblichen Problemen führen und in einem Burn-out münden.
Wie soll man mit Vorurteilen umgehen?
Der beste Rat ist, Betroffenen Fragen zu stellen, statt sie mit Vorurteilen zu strafen. Unwissenheit in Sachen Schwerbehindertenausweis ist nicht schlimm, denn ganz ehrlich: Wer nicht davon betroffen ist, muss sich auch nicht großartig damit auseinandersetzen. Wer allerdings in seinem Umfeld auf Menschen mit Schwerbehinderung trifft, sollte ihnen offen begegnen und sich selbst ein Bild von ihnen machen, bevor man ein vorschnelles Urteil fällt.
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