“Ich will abnehmen.” Wann hat das das letzte Mal jemand zu euch gesagt? Body Positivity hat unserer Gesellschaft einen großen Schub nach vorne gegeben. Endlich sind runde Körperformen akzeptiert. Wirklich akzeptiert und nicht nur alibimäßig bei bei Heidi Klums “Mädchen”, wo die sogenannten Plus Size Models sich mit Kleidergröße 38 schon revolutionär fühlen.
Seit geraumer Zeit schon beschleicht mich aber ein unterschwelliges Gefühl, das ich nicht abschütteln kann. Lange Zeit konnte ich es nicht benennen, doch die Wochen habe ich als stiller Zuschauer die Selbstoptimierungsphase der Instagramer und TikToker in Coronazeiten über mich ergehen lassen. Mir ist immer deutlicher geworden, was mich nervt.
Food Prep: Eine Religion mit vielen Verboten
Es ist derzeit vollkommen legitim, aus seinem eigenen Essverhalten eine Religion zu machen. Als heilige Reliquien gibt es statt “des Leibes Christi” vegane Banenbrotlaibe. Als Opfergabe gibt es keine geschlachteten Kälber, sondern man opfert ein Drittel seines Tages dafür, irgendwelche Chiasamen aufquellen zu lassen oder Tofu zu marinieren.
Alles im Namen der Gesundheit, alles im Namen der Bodypositivity. Immer wieder wird betont, dass wir uns gut fühlen sollen und das nicht mit „Ich will abnehmen“ zutun hat. Niemand spricht hier von altbekannten “schlank in 30 Tagen-Versprechen”.
Ich finds toll, aber da fehlt etwas
Ich hätte gerne die Disziplin, mir am Morgen eine kunstvoll drapierte Frühstücksbowl á la Pamela Reif zu bauen. Ich hätte gerne die Zeit, mich am Abend intensiv damit zu beschäftigen, welche Hülsenfrüchte ich am besten in meinem Green Smoothie mixe. Ich finds super, wenn die Anhänger dieser neuen Religion sich so wohl in ihrer Haut fühlen, dass es keine Selbstzweifel mehr zu geben scheint. Doch ist es überhaupt noch erlaubt, seinem eigenen Körper kritisch zu begegnen?
“Ich will abnehmen” ist der Un-Satz des Jahres
Schon bevor ich meinen Freundinnen mitteilte, dass ich gerne ein paar Kilo weniger auf den Hüften hätte, wusste ich, dass es ein Fehler sein würde. “Du brauchst doch nicht abzunehmen.” “Du bist schön so wie du bist, lass dir von niemandem etwas anderes einreden.” Das waren ihre Reaktionen. Voll lieb von ihnen. Doch fühlte ich mich gleichzeitig ein wenig entmündigt.
Embrace your curves.
Aber was, wenn ich lieber ein bisschen abnehmen WILL? Gehört es nicht auch zu Bodypositivity, dass jeder höchstselbst entscheiden darf, was mit seinem Körper passiert? Was, wenn ich ein paar meiner Curves nicht unbedingt embracen möchte, sondern sie eben schrumpfen sehen will? Ist das auf einmal nicht mehr erlaubt?
Wer abnehmen will, der sollte sich nicht schämen müssen
Ich glaube wir können uns alle darauf einigen, dass jegliche Art des Body Shaming eine Schande für unsere Menschheit und Intelligenz ist. Vollkommen in Ordnung ist es hingegen, wenn erwachsene Frauen sich dazu entscheiden, die tägliche Nutella-Toast-Dosis ein wenig herunterzufahren.
Liebe Freundinnen, nehmt mir bitte nicht die Möglichkeit weg, meinen eigenen Körper zwischendurch auch mal gepflegt ein wenig doof zu finden. Wer sich die ganze Zeit nur liebt, der wird eingebildet. Wer immer nur positiv ist, der hebt irgendwann ab. Und wer anderen vorschreibt, dass sie nichts vorschreiben lassen sollen, der ist irgendwo falsch abgebogen.
Noch mehr Body Positivity?
Die Generation Z hat ein komplett neues Schönheitsideal erschaffen. Wie es aussieht und was dahintersteckt, erfahrt ihr hier.
Wir haben uns bereits mit der Frage beschäftigt: „Bin ich zu dick?“ Es gibt nämlich Influencer*innen, die einen ungesunden Lebensstil propagieren und darauf sollte niemand hereinfallen.