Menschen in systemrelevanten Berufen, aber auch alle, die in ihrem Job versuchen, ein möglichst normales Leben aufrechtzuhalten, kommen dieser Tage an ihre Grenzen und müssen sich jeden Tag neu orientieren.
Dabei ist besonders die Polizei in Zeiten wie diesen gefragter denn je. Denn nicht jeder ist mit den alltäglichen Einschränkungen und den sich ständig ändernden Vorschriften einverstanden.
Die Folge: Maskenverweigerer, Proteste und provokantes Verhalten. Wie schwer das für bestimmte Berufsgruppen sein kann und inwieweit die Pandemie das Berufsleben verändert, zeigen wir in unserer Themenreihe der #CoronaAlltagsheldInnen.
#Corona-AlltagsheldInnen: Wie geht es ihnen wirklich?
Seit Anfang des Jahres steht das Land kopf. Wir alle erinnern uns noch an die ersten bekannten Einzelfälle von Covid-19, wie sie durch die Nachrichten geisterten und keiner genau wusste, was da noch auf uns zukommen würde. Heute, knappe 11 Monate später, haben sich nach RKI-Informationen bereits über 1,6 Millionen Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert und 30.000 Menschen fanden allein in Deutschland den Tod im Zusammenhang mit dem Coronavirus.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Menschen in der Corona-Pandemie die gleichen Ansichten teilen. Denn während die einen aufgrund dieser Zahlen in Panik verfallen, gehen die anderen auf die Straße – mit der Intention: die Beschränkungen ganz abzuschaffen.
Wir fragen uns: Wie geht es Menschen, die tagtäglich dafür Sorgen, dass die Regeln und Gesetze eingehalten werden? Um diese Frage beantworten zu können, haben wir bei der Polizei mal nachgehakt.
PolizistInnen in der Corona-Pandemie
wmn: Magst du dich zuallererst einmal kurz und knapp vorstellen? In welchem Bereich der Polizei bist du tätig, welchen Aufgaben gehst du nach und wo sind deine Einsatzgebiete?
Justus*: Ich bin Angehöriger der Bundespolizei und im Bereich der Bereitschaftspolizei tätig, ich werde also z.B. bei Fußballspielen oder Versammlungen/Demonstrationen eingesetzt, dementsprechend auch häufig bei den sogenannten Corona-Demos.
Grundsätzlich bin ich aber in ganz Deutschland unterwegs, da ich als Bundespolizist nicht auf ein Bundesland beschränkt bin und daher überall, je nach Anlass, eingesetzt werde.
*Der Name wurde von der Redaktion geändert.
wmn: Es wird in der Corona-Krise immer wieder über Menschen gesprochen, die sich für das Wohl anderer einsetzen und „alles am Laufen halten“.
Würdest du die Polizei als AlltagsheldInnen in der Corona-Pandemie bezeichnen und was hältst du von den Lobpreisungen gegenüber AlltagsheldInnen?
Justus: Ich selber sehe mich in meinen Bereich nicht als sogenannter „Alltagsheld“. Der gemeinhin bekannte Streifenpolizist, der viel öfter mit Corona und den damit verbundenen Maßnahmen zu tun hat, ist für mich eher als Alltagsheld in Betracht zu ziehen. Grundsätzlich sehe ich den Begriff aber kritisch.
Denn nicht nur die Berufsgruppen, die unter die sogenannten AlltagsheldInnen fallen, leisten wirklich tolle Arbeit und wachsen über ihre Leistungsfähigkeit hinaus, sondern auch alle andere Berufsgruppen. In der jetzigen Pandemie sind es diese Menschen, die Besonders leisten, in anderen Situationen können es jedoch andere sein.
Auch sollten nicht all jene vergessen werden, die in der Pandemie jeden Tag ihrer normalen Arbeit nachgehen und sich um ihre Familien kümmern. „Deswegen verwende ich den Begriff Alltagsheld nicht“.
wmn: Der erste Lockdown kam für uns alle ziemlich überraschend – und die Meinungen der Menschen über die Notwenigkeit des strengen Lockdowns waren von Anfang an gespalten. Dies ließ bereits vermuten, dass die Polizei mehr denn je gebraucht werden wird.
Daher unsere Frage: Wie hat sich deine berufliche Situation in diesem Moment angefühlt, vor welchen Problemen/neuen Herausforderungen standet ihr und welche Gedanken sind dir als Erstes durch den Kopf gegangen?
Justus: Anfänglich war für mich noch nicht klar ersichtlich, was Corona für mich konkret bedeuten würde. Große Sportveranstaltungen und Versammlungen wurden verboten, also mein Haupteinsatzgebiet. Gleichzeitig war aber schon von Beginn an zu vermuten, dass es im Bezug auf Corona und die einschlägigen Maßnahmen auch Unzufriedenheit in der Bevölkerung geben wird und daraus resultierend neue Einsatzanlässe – wie die Querdenker-Demos.
Das diese Demos aber so häufig und auch seitens der Demonstranten mit solcher Vehemenz stattfanden, damit habe ich nicht im Ansatz gerechnet.
Eine der größten und auch am schwersten durchsetzbaren Herausforderungen war natürlich der Mindestabstand. Gerade auf den Demos, die Corona oder die Maßnahmen der Regierung infrage stellten und die dementsprechend wenig auf die Vorgaben achteten, da hatte man dann doch schon ein ungutes Gefühl – auch wenn man selber natürlich eine Maske getragen hat.
wmn: Im Sommer gab es größtenteils wieder einen „Regelbetrieb“. Das bedeutete jedoch nicht, dass sich die Gemüter der Corona-Gegner beruhigten – ganz im Gegenteil.
Kannst du dich an deinen ersten Einsatz auf einer Corona-Demo noch erinnern? Gibt es eine Situation, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist und wurde euch statt Unzufriedenheit und Wut auch Dankbarkeit entgegengebracht?
Justus: Meine erste Corona-Demo war in Berlin, ich war überrascht, dass so viele Menschen an der Demonstration teilnahmen. Erschreckend. Einen besonderen Moment gab es da für mich nicht, eher das Gesamtbild, das sich mir eingeprägt hat.
Zum einen kann ich absolut verstehen, wenn jemand, der unter den Maßnahmen wirtschaftlich leidet, auf die Straße geht, um auf seine Situation aufmerksam zu machen. Aber die Demonstranten, die dort waren, das waren nicht nur Leute, die unter den Maßnahmen litten, sondern auch einfach welche, die aufbegehren wollten. Und zum anderen waren da Versammlungsteilnehmer jeden Alters, jeder politischen Meinung, es war von allem etwas dabei – Seite an Seite gegen die Corona-Maßnahmen. Das war für mich das Auffälligste.
Dankbarkeit haben wir seitens der Demonstranten keine erfahren, womit aber zu rechnen war und was auch bei anderen Demonstrationen selten der Fall ist.
Schließlich ist die Polizei die ausführende Hand des Staates, für die Demonstranten quasi der direkte Vertreter vor Ort. Aber von anderen Bürgern, die mit der Versammlung nichts zu tun hatten, von denen haben wir öfter zu hören bekommen, das wir einen guten Job machen. Das muntert natürlich auf, wenn man sonst eher angefeindet wird.
wmn: Seit Beginn der Pandemie sind 10 Monate vergangen – wie geht es dir heute damit und wird sich die Pandemie auch langfristig auf die Arbeitsweise und Organisation der Polizei auswirken?
Solange die Pandemie unseren Alltag so bestimmt, wie sie es aktuell tut, wird auch meine Arbeit davon stark beeinflusst sein. Wie schon erwähnt, machen einen Großteil meiner Arbeit Fußballspiele aus. Solange die nicht wie vor der Pandemie wieder mit vollen Zuschauerrängen veranstaltet werden, wird mein Arbeitsalltag anders sein.
Sonst aber passt man sich den Gegebenheiten an, immer gilt eine besondere Vorsicht und vor allem die Einhaltung des Mindestabstandes. Egal, ob im Einsatz oder bei der im normalen Regeldienst stattfindenden Fortbildung. Dass das bei einigen Maßnahmen nicht immer einfach ist, ist klar. Bezogen auf die ganze Polizei wird Corona natürlich auch weiterhin eine große Rolle spielen.
Ob bei einer normalen Personenkontrolle oder einer Festnahme bei einer Demonstration, überall versucht man die Corona-Maßnahmen, so gut es die Situation zulässt, einzuhalten.
wmn: Kannst du dir vorstellen, dass den Alltagshelden in der Zukunft mehr Wertschätzung entgegengebracht wird und sich ihre Situation – zum Beispiel im Hinblick auf Gehälter – verbessern wird?
Die Menschen leisten aktuell tolle Arbeit. Ich denke, das die Pandemie aufgezeigt hat, welche Bereiche für das Funktionieren einer Gesellschaft wichtig sind, wird in diesen Bereichen Geld investiert. Ob das sich auf dem Gehalt der Mitarbeiter niederschlägt, das weiß ich jedoch nicht.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass es einmalige Boni geben wird oder auch schon gegeben hat. Was sich aber mit Sicherheit verändert hat, ist der Blick eines Großteils der Bevölkerung, die vor der Pandemie gar nicht genau wussten, was viele Bereiche tagtäglich leisten und zu leisten im Stande sind.
Da kann ich mir schon vorstellen, dass die Wertschätzung zugenommen hat – und das auch erst mal in den Köpfen vieler Menschen hängen bleibt.
wmn: Mit welchen Problemen hatten Polizisten während der Pandemie am meisten zu kämpfen und was würdest du dir von der Gesellschaft wünschen, damit eure Arbeit während der Pandemie angenehmer wird?
Für mich in der Bereitschaftspolizei gibt es wenig Punkte zu nennen. Ich würde mir wünschen, dass sich viele Menschen einfacher besser informieren oder überhaupt damit anfangen würden.
Außerdem habe ich mich als Polizist genau so an die Vorgaben zu halten, die die Regierung erlässt wie ein normaler Bürger, ich schwebe nicht über Regeln, Anordnungen oder Gesetzen. Das sollten einige Bürger sich auch immer ins Gedächtnis rufen, bevor sie Polizisten anpöbeln oder sie beschuldigen.
wmn: Zu guter Letzt: Silvester steht vor der Tür. Kaum einem Feiertag wird so entgegengefiebert wie dem Neujahrswechsel. Demzufolge blicken besonders Alltagshelden aus dem medizinischen Bereich diesem Abend mit großer Sorge entgegen.
Wie ist deine ganz persönliche Meinung, wird sich die Mehrheit an die Corona-Verordnungen halten oder siehst du eine anstrengende Nacht auf euch zukommen?
Justus: Ich glaube, die meisten Menschen werden sich an die Verordnungen halten. Große Versammlungen sind untersagt und auch die Querdenker-Initiatoren haben verkündet, keinerlei Versammlungen in der Zeit um den Jahreswechsel anzumelden.
Dementsprechend glaube ich tatsächlich, dass es in Bezug auf Corona im Großen und Ganzen ruhig bleiben wird. Nichtsdestotrotz werden Sicherheitskräfte, Rettungskräfte und viele mehr wie jedes Jahr wieder viel zu tun bekommen.
Einzelne oder Kleingruppen werden auch dieses Jahr dafür sorgen, dass die Nacht nicht zu ruhig bleibt und natürlich werden insbesondere die medizinischen Einrichtungen wieder eine spannende Nacht zu erwarten haben.
Fazit: Aufgaben bleiben gleich, Einsätze verändern sich
Die Aufgabe der Polizei besteht darin, die Regeln, Anordnungen oder Gesetze für die Regierung durchzusetzen. Dabei stehen sie an vorderster Front und müssen sich den Fragen und Emotionen der Menschen stellen – und dabei stets ruhig und neutral bleiben.
Wir finden: Nicht gerade einfach in einer Zeit, in der die Gemüter bei vielen Menschen so erhitzt sind. Auch wenn genau diese Tatsache für die Polizei keine neue Situation darstellt und vielmehr zum Alltag gehört, sind wir der Meinung, dass die Polizei definitiv zu den AlltagsheldInnen in der Corona-Pandemie gehört. Denn gerade Maskenverweigerer und Querdenker könnten dafür sorgen, dass die Pandemie noch länger andauert, als uns allen lieb ist.
Dennoch stimmen wir zu: Es sind nicht nur die bekannten AlltagsheldInnen zu erwähnen, sondern auch all die, die tagtäglich ihrer Arbeit nachgehen – und damit ebenfalls dafür Sorgen, dass „alles am Laufen“ gehalten wird.
Außerdem: Zu Beginn haben wir uns gefragt, wie es der Polizei geht, die tagtäglich dafür sorgt, dass die Regeln und Gesetze eingehalten werden. Es wird deutlich: Mehr Verständnis und Einsicht würde ihre Arbeit erheblich erleichtern.
Noch mehr AlltagsheldInnen gefällig?
Dann erfährst du hier, wie sich die Corona-Pandemie für die Lehrerschaft anfühlt und mit welchen Problemen die Corona-Lehrer zu kämpfen haben.
Wir haben uns von einem Experten ekrlären lassen, wie es derzeit um die Kunst- und Kulturszene steht. Hat sie gegen Corona eine Chance und was bleibt nach der Pandemie von ihr übrig? Bernard Hoffmeister gibt seine Einschätzung.