Du sitzt in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit und liest die Zeitung. Plötzlich setzt sich ein Mann neben dich. Erstmal nichts Ungewöhnliches. Allerdings spreizt er die Beine beim Sitzen so weit auseinander, dass du einerseits das Gefühl hast, er benötigt vielleicht noch einen extra Platz oder möchte dir vielleicht gleich auf den Schoß hüpfen. In beiden Fällen ist eines klar: Das ist unangenehm. Für diese Art und Weise zu sitzen, gibt es einen Begriff: Manspreading. Was es damit auf sich hat, erfährst du hier.
Manspreading: Mehr als nur eine Gewohnheit
Was ist eigentlich Manspreading?
Seit 2015 ist der Begriff Manspreading auch im Online Oxford Dictionary aufgelistet. Dort heißt es, es sei eine: „Praxis, bei der ein Mann, insbesondere einer, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, eine Sitzhaltung einnimmt, in der seine Beine weit auseinanderstehen und auf einen oder mehrere angrenzende Sitze übergreifen“
Eine ganz bestimmte Art des breitbeinigen Sitzens also.
Manspreading als Luxusproblem?
Die Debatte um den öffentlichen Raum einnehmen besteht nicht erst seit gestern. Es geht allerdings um nicht weniger als die Einnahme von einer Ressource des öffentlichen Raumes, die uns allen zusteht. Das Raumproblem wird hierbei zum Geschlechterproblem. Männer nehmen so mehr Raum ein und Frauen, Trans-Personen und nicht-binäre Menschen geraten in den Hintergrund.
Begründet wird Manspreading von der einen Seite mit der Biologie. Man(n) könne gar nicht anders sitzen, denn: die Schultern seien so breit, dass man die Beine spreizen müsse um Balance zu halten. Wer hat es noch nicht erlebt: Die Männer, die in der U-Bahn „normal“ sitzen und auf einmal vom Platz fallen.
Die Gegenposition sagt dazu, dass dies kein anatomisches Problem sei, sondern viel mehr ein Ausdruck eines angelernten Körpergefühls, was eine präsente Haltung hervorruft. Angelernt wird dies angeblich sogar schon im Kindesalter. Manspreading ist demnach ein Zeichen für angelernte stereotypische Muster: Männer = groß und dominant. Frauen = zierlich und zurückhaltend.
So ist Manspreading eine erlernte Eigenschaft, die keinesfalls als Luxusproblem gesehen werden sollte, sondern eher als ein gesellschaftliches Problem, resultierend aus jahrelang eingeübten Genderrollen, in die Menschen meist schon während der Kindheit unbewusst gedrückt werden.
Anti-Manspreading Kampagnen
Manspreading ist kein unbekanntes Phänomen mehr. So gibt es mittlerweile einige Kampagnen in unterschiedlichen Ländern, die Manspreading den Kampf ansagen.
„Riot Pant Project“
Mittlerweile gibt es einige Menschen, die sich gegen das Phänomen stark machen. Beispielsweise die beiden Berliner Studentinnen Elena Buscaino und Mina Bonakdar. Sie haben das „Riot Pant Project“ ins Leben gerufen. Im Schritt ihrer Hosen stehen Sätze wie „Stop Spreading“ oder „Give Us Space“.
Anti-Manspreading-Stuhl
Den Anti-Manspreading-Stuhl hat Laila Laurel von der University of Brighton erfunden. Der Clou: Sie hat zwei Stühle produziert, einen für Menschen die sich als Frau identifizieren und einen für Menschen die sich als Mann identifizieren. Der Stuhl für Frauen bot dabei mehr Platz sich zu entfalten, wobei der Stuhl für Männer dazu zwang, auf begrenztem Platz zu sitzen.
Kein Manspreading in Bussen in Madrid
In Madrid löste eine Petition, die von über 12.000 Menschen unterschrieben wurde aus, dass Manspreading bald in Bussen verboten ist. Wie das Verbot genau aussieht? Es gibt Sticker, die das verbieten, genau wie die Sticker, die uns sagen, dass wir bitte kein Eis in der U-Bahn essen sollen.
Fazit: Stop the Manspreading
Dass etwaige Vorfälle als durchaus unangenehm befunden werden können, ist klar. Das Wichtigste ist der gegenseitige Respekt, Rücksicht und das Raumgeben für jede Einzelne Person, mit der wir zufällig in der U-Bahn zusammentreffen. Drei Sitze unnötigerweise einnehmen, ist 2021 nämlich ziemlich out. Demnach: Please stop it!
Info: Es gibt auch ein weiblich konnotiertes Verhalten, welches darauf abzielt, dass manche Frauen einen zweiten Sitz in der Bahn oder dem Bus mit ihrer Tasche einnehmen, statt diese auf dem Schoß zu behalten. Das heißt She-Bagging.
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