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Kein Gehalt am ersten Krankheitstag: Brisanter Vorschlag von Allianz-Chef Bäte

Der Krankenstand in Deutschland ist hoch. Der Allianz-Chef sieht dies als finanzielles Problem und bringt einen kontroversen Vorschlag ins Gespräch.

Eine junge Frau putzt sich die Nase.
© Getty Images/raquel arocena torres

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Vor 55 Jahren hat die Bundesregierung Karenztage im Krankheitsfall abgeschafft. In Ländern wie Schweden, Spanien oder Griechenland ist dieses System jedoch weiterhin üblich: Arbeitnehmer erhalten dort bei Krankheit zunächst keinen Lohn. Ein deutscher Konzern-Chef würde dies am liebsten ändern. Alle Details.

Vorschlag vom Allianz-Chef: Gehalt für ersten Krankheitstag abschaffen

Der hohe Krankenstand in Unternehmen bereitet Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte Sorgen. „Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei den Krankmeldungen“, erklärte Bäte gegenüber dem Handelsblatt. Aus diesem Grund fordert er die Einführung von Karenztagen bei Krankmeldungen. Das würde bedeuten, dass in den ersten Tagen einer Erkrankung keine Lohnfortzahlung erfolgt. Erst wenn ein Attest vom Arzt beziehungsweise von der Ärztin vorliegen würde, beginne die Lohnfortzahlung.

Bäte schlägt im Gespräch mit dem Handelsblatt vor, dass Arbeitnehmende ohne Attest die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst übernehmen sollten. Deutschland werde nicht um Kürzungen im Sozialbereich herumkommen. „Wir müssen uns überlegen, wie wir damit umgehen, und es sozial gerecht gestalten“, erklärte der Vorstandschef der Allianz weiter. Denn laut ihm wäre die deutsche Wirtschaft ohne den enormen Krankenstand im „vergangenen Jahr nicht um 0,3 Prozent geschrumpft, sondern um knapp 0,5 Prozent gewachsen.“

Fehlzeiten in Deutschland bereits auf Rekordniveau

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland waren laut Statistischem Bundesamt im Schnitt an 15,1 Tagen krankgemeldet. Noch höher fallen die Zahlen der DAK-Gesundheit für 2023 aus: Mehr als die Hälfte der DAK-Versicherten ließ sich im Laufe des Jahres mindestens einmal krankschreiben. Im Durchschnitt kam jede versicherte Person bei der DAK auf satte 20 Fehltage im Jahr – ein Rekordhoch.

Ein Umstand, der bei Unternehmen laut dem Allianz-Vorstandschef ganz schön zu Buche schlägt: „Arbeitgeber zahlen in Deutschland pro Jahr 77 Milliarden Euro Gehälter für kranke Mitarbeiter. Von den Krankenkassen kommen noch einmal 19 Milliarden Euro hinzu. Das entspricht rund 6 Prozent der gesamten Sozialausgaben.“

Auch Chefin der Wirtschaftsweisen für die Wiedereinführung von Karenztagen

Die Forderung nach der Einführung von Karenztagen ist nicht neu. Bereits im Dezember 2024 regte Monika Schnitzer, die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, an, die Einführung von Karenztagen zu prüfen. „Manche Länder haben sogar Karenztage, der Arbeitgeber zahlt nicht sofort den Lohn weiter“, so Bäte gegenüber dem Handelsblatt.

Karenztage wurden in den 1970er Jahren abgeschafft

In den 1970er-Jahren wurde der Karenztag bei Krankmeldungen abgeschafft, und seither ist seine Wiedereinführung ein heiß diskutiertes Thema, wie der Münchner Merkur berichtet. Unternehmerverbände drängen darauf, ihn wieder einzuführen, um angebliches „Blaumachen“ an einzelnen Tagen einzudämmen. Doch in Deutschland gilt: Wer krank ist, bekommt ab dem ersten Tag weiterhin seinen Lohn – ohne Abzüge.

Diese Regelung bietet den Beschäftigten finanzielle Sicherheit und ist fest im Arbeitsrecht verankert. Arbeitgeber sind verpflichtet, bei Krankheit bis zu sechs Wochen das Gehalt weiterzuzahlen – und das bei jeder neuen Erkrankung. Tritt während einer bestehenden Krankschreibung eine weitere Krankheit auf, verlängert sich die Frist allerdings nicht.

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Deutscher Gewerkschaftsbund warnt vor Arbeiten trotz Erkrankung

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) steht dem Vorschlag des Allianz-Vorstandschefs kritisch gegenüber, wie Frankfurter Allgemeine berichtet. Demnach warnt der DGB vor, dass Beschäftigte selbst bei Krankheit ihrer Arbeit nachgehen würden. Dabei schade „Präsentismus“ nicht nur der eigenen Gesundheit, sondern führt auch zur Ansteckung von Kolleg:innen oder sogar zu Unfällen, wie Anja Piel von der DGB-Führung erklärt. Die damit verbundenen Kosten kommen Unternehmen oft noch höher zu stehen.

Auch die IG Metall kritisiert den Vorschlag der Einführung einer Karenzzeit bei Krankheitstagen, wie der Focus berichtet. „Wer Karenztage aus der Mottenkiste holt, greift die soziale Sicherheit an und fördert verschleppte Krankheiten“, erklärt Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. „Die deutsche Wirtschaft gesundet nicht mit kranken Beschäftigten, sondern im Gegenteil mit besseren Arbeitsbedingungen.“