Spätestens seit dem Comedypreis 2020 ist so ziemlich jedem klar geworden, dass es in der Branche ein Ungleichgewicht der Geschlechter gibt. Der (männliche) Tenor: Frauen können nicht lustig sein. Und wäre das Ganze nicht so traurig, könnten wir darüber nur müde lachen.
Stattdessen richten wir den Blick diese Woche auf eine großartige Frau, die ganz selbstverständlich zeigt, dass die Comedybranche ohne Frauen nichts wäre: Giulia Becker ist unsere weekly heroine und das nicht nur, weil sie uns herzhaft zum Lachen bringt, sondern auch, weil sie uns mit ihrem Podcast Drinnies nahbar durch die Krise geleitet.
Giulia Becker kurz & knapp
Du stehst völlig auf dem Schlauch und weißt nicht, wer Giulia Becker eigentlich ist?
- Giulia Becker ist Autorin, Moderatorin und Musikerin, die vor allem durch das NeoMagazineRoyale Bekanntheit erlangte.
- Sie wurde 1991 geboren und wuchs in der Nähe von Siegen auf, wo sie auch ein Medien- und Literaturwissenschaftsstudium begann, welches sie immer mal wieder abbricht.
- Heute lebt sie in Köln und tut das, was sie am meisten liebt: Schreiben…
- Ob auf Twitter, wo sie als Schwester Ewald bereits über 64.000 Follower hat…
- Oder in Buchform: 2019 erschien ihr erster Roman „Das Leben ist eines der Härtesten“ im Rowohlt Verlag, der ihr unter anderem den Debütpreis der lit.COLOGNE bescherte.
- Seit Kurzem führt sie gemeinsam mit dem Autor Chris Sommer den Podcast Drinnies, der uns ganz gemächlich und unterhaltsam beweist, dass es zu Hause auch schön sein kann – wenn nicht sogar schöner als draußen.
Das NeoMagazinRoyale war nur der Anfang
Jan Böhmermann ist bekannt dafür, dass er Nachwuchstalente fördert und dort Potenzial wittert, wo andere es versäumen, hinter die Kulissen zu sehen. So war es auch bei Giulia Becker, der er 2015 kurzerhand ein Praktikum beim NeoMagazineRoyale anbot, nachdem er auf ihren satirischen Twitter-Account mit dem Künstlernamen Schwester Ewald stieß.
Schon bald hatte Giulia einen ihrer ersten Auftritte in der Rolle Coco, die ein fiktives Start-up mitbegründet hat, das die Füllung der Prinzenrolle pur verkauft und die Nüsse aus den Toffifee-Pralinen entfernt. Seit 2016 arbeitete sie fest als Gagschreiberin für die Sendung.
Ihren großen Durchbruch beim NeoMagazineRoyale hatte Giulia Becker mit ihrem Song Verdammte Schei*e, der mit über 800.000 Views viral ging. Becker singt hier im Stile Adeles von ihrem männerdominierten Redaktionsalltag, in dem sie immer wieder Rückschläge erleiden muss – einzig, weil sie eine Scheide hat:
Geh zum Fernsehen haben sie gesagt, denn für ‘ne Frau bist du echt komisch. Doch seit meinem ersten Tag läuft es hier irgendwie nicht so harmonisch. Als ich hier anfing war ich noch schlank, doch jetzt esse ich aus Frust. 80 Euro Snackbär-Schulden und das nur seit August […] Ich fühlte mich schlecht in meiner Haut und habe lang genug geglaubt, es liegt wohl an meinem Bauch, doch dann hat sie sich umgeschaut: Ich hab eine Scheide. Es liegt an meiner Scheide. Es ist egal wie viel ich leide. Schuld ist meine Scheide. – Giulia Becker in „Verdammte Schei*e“
Die Message ist einfach wie deutlich: Sexismus hat im Alltag und auch am Arbeitsplatz nichts zu suchen. Die Scheide-Raute im Musikvideo, die an die Merkel-Raute erinnert, stützt die gesungenen Worte, die es heute gefühlt mehr denn je braucht. Wie dringlich das Thema ist, zeigt auch der Support anderer Frauen der Branche: Hazel Brugger, Nora Tschirner und Katrin Bauerfeind sind nur einige bekannte Namen, die sich im Video neben Becker für das Thema stark machen.
Viele sahen hier eine neue Frauenbewegung aufflammen und die Süddeutsche ließ sich gar so folgendem Urteil hinreißen : „Ohne dass sie es beabsichtigt hat, ist sie zur Feminismus-Ikone geworden.“
Giulia Becker zum Lesen: „Das Leben ist eines der Härtesten“
Deutschland in a nutshell – beziehungsweise auf 222 vergnüglichen Taschenbuchseiten: Mit ihrem Debütroman Das Leben ist eines der Härtesten gewinnt Becker 2019 nicht nur den Debütpreis lit.COLOGNE sondern erhielt auch das Märkische Stipendium für Literatur. Und das völlig verdient.
Renate Gabor geht es schlecht. Vergangen Freitag ist ihr Malteser-Mischling Mandarine Schatzi kopfüber in einer Punica-Flasche stecken geblieben und erstickt.
Denn Giulia Becker beweist wahres Talent, indem sie dermaßen ulkige Figuren ausgestaltet, die eine komischer als die andere und doch möchte man jede Einzelne am Ende der 222 Seiten selbst in seinem Leben wissen.
Oft weiß man bei all den überzogenen Details im Buch nicht: Ist das jetzt witzig oder vielleicht doch bierernst? Gerade dieser sprachliche Drahtseilakt gepaart mit den Schicksalen der Figuren zieht in seinen Bann und lässt einen das Buch in einem Zug verschlingen.
Guilia Becker zum Hören: „Drinnies“
Und wer nach 222 Seiten noch nicht genug von Giulia Becker hat, kann sich seit Dezember in ihrem Podcast Drinnies mit Gemütlichkeit berieseln lassen. Hier spricht sie zusammen mit Autor Chris Sommer über das fabelhafte Leben in den eigenen vier Wänden – also den Ort, an dem sich introvertierte Menschen am wohlsten fühlen.
Und genau das sind auch Giulia und Chris: selbst ernannte Drinnies, die anderen Menschen ins Ohr flüstern, dass sie nicht allein sind. Ihr Podcast kommt genau zur richtigen Zeit, denn so gelingt das Zu-Hause-Bleiben gleich noch wohliger.
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