Eine neue EU-Verordnung erlaubt es seit Beginn des Jahres, Insektenteile zur Herstellung bestimmter Lebensmittel zu verwenden. Dass Insekten in bekannten Lebensmitteln drinstecken, ist für viele noch immer eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung. Die Zucht von Käfern, Larven und Co. birgt jedoch auch Risiken für unser Ökosystem und die Artenvielfalt. Experte Dr. Mark Benecke wirft einen Blick in die Zukunft.
Tierisches Superfood – die Vorteile von Insekten in Lebensmitteln
Ganze 2100 Insektenarten könnten wir Menschen essen, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Damit hätten wir nicht nur eine zusätzliche Proteinquelle, sondern würden auch unsere Umwelt entlasten. Die Produktion von Insekten in Lebensmitteln ist weitaus umweltfreundlicher als die herkömmliche Fleischproduktion. Nicht zuletzt aufgrund der geringen Treibhausgas-Emissionen und der Tatsache, dass die kleinen Tierchen viel weniger Fläche benötigen als Kühe oder Schweine.
Insekten in Lebensmitteln sind ein wahres Superfood. Sie liefern viele Omega 3- und 6-Fettsäuren, sind reich an Proteinen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Eine neue Sensation sind Insekten in Lebensmitteln in Deutschland nicht mehr. Bei uns gibt es bereits Insekten-Riegel, Schoko-Mehlwürmer, gewürzte Heuschrecken oder sogar Insekten-Burger. Außerdem stecken ihre verarbeiteten Bestandteile bereits in vielen bekannten Markenprodukten.
Dr. Mark Benecke weist auf Risiken hin
Mittlerweile äußern Experten und Expertinnen Bedenken im Hinblick auf die Verwendung und Züchtung von Insekten für Lebensmittel. Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke spricht im Interview mit Utopia über die wichtige Rolle von Käfern, Heuschrecken und Co. in der Natur.
„Wir leben in der Zeit des größten – also je gemessenen – Artensterbens seit es Menschen gibt. Mehr Aussterben geht nicht.“
Dr. Mark Benecke im Interview
Indem krabbelnde und brummende Tierchen in unserem Essen landen, fehlen sie als ein essentiell wichtiges Mitglied im Netzwerk der Natur. Je mehr Tierarten darin fehlen, desto zerstörbarer wird es. Auch die Entstehung von Krankheiten und der mögliche Einsatz von Giftstoffen seien Folgen, auf die wir vorbereitet sein müssen, erklärt der Wissenschaftler.
Läuse in Trollis, M&M’s und Co: eine Ekelliste
Insekten in Lebensmitteln zu verarbeiten, ist allerdings nichts Neues. In einigen beliebten Markenprodukten sind schon lange die Bestandteile von Lackschildläusen und Scharlachschildläusen enthalten – darunter:
- Milka-Schokolade – Bunte Kakaolinsen
- M&M’s – Crisp
- Schoko Bons (Ferrero)
- Trolli – Saure Glühwürmchen
- Mentos – Kaugummi – Full Fruit
- Müllermilch Kirsch-Banane
- Ehrmann – Obstgarten Erdbeere
Der Grund: Aus ausgekochten Scharlachschildläusen wird der rote Farbstoff „Karmin“ gewonnen, welcher auf der Zutatenliste den Deckmantel „E120“ trägt. Dazu wird die trächtige Laus getrocknet und ausgekocht. Um für Süßwaren eine glänzende Oberfläche zu erzeugen wie zum Beispiel bei Schoko-Bons, werden die Ausscheidungen der Lackschildlaus benutzt, die wie ein harzähnlicher Stoff aussehen. Auf der Zutatenliste verbirgt er sich hinter der Bezeichnung „E 904“. Das Problem: In dieser Substanz wächst der Nachwuchs der Läuse heran. Dieser landet dann leider oft in der Lebensmittelproduktion, kritisiert die Tierschutzorganisation Peta.
Neue App erkennt, ob Insekten in den Lebensmitteln enthalten sind
Wichtig ist, die Bezeichnungen zu kennen, hinter der sich der Farbstoff in der Inhaltsstoff-Liste auf dem Produkt verbirgt: echtes Karmin, Karmin, Carmine, Cochinille, Cochineal oder Karminsäure. Auch diese Zahlencodes geben entscheidende Hinweise: E 120 oder CI 75470. Eine einheitliche Kennzeichnung gibt es nicht, schildert das Verbraucher-Portal CHIP.
Wer sich all diese Namen und Zahlen nicht merken kann, fragt einfach das Handy um Hilfe. Im Appstore gibt es spezielle Lebensmittel-Scan-Apps, die für 0,99 Cent abchecken, ob Insekten im Lebensmittel stecken. Und so geht’s: Scanne mit der App über deine Handykamera den EAN-Code deines Produktes und schon zeigt dir dein Smartphone ab, ob und welche Insektenteile darin zu finden sind. Ziemlich smart!
Hier kannst du dir den Insekten-Checker im App-Store herunterladen.
In diesen Lebensmitteln könnten bald Insekten drin stecken
Mit der neuen Verordnung kommen nun auch die Hausgrille und der Getreideschimmelkäfer auf den Speiseplan. Für welche Nahrungsmittel sollen sie verwendet werden?
Einmal Pizza mit Hausgrillen, bitte!
Die Hausgrille ist bereits seit März 2022 in gefrorener und getrockneter Form oder als Pulver zugelassen. Das vietnamesische Unternehmen Cricket One Co. Ltd hat schon 2019 den Antrag gestellt, auch teilweise entfettetes Pulver der Hausgrille verwenden zu dürfen. Die exklusive Erlaubnis gilt nun für fünf Jahre. Danach darf auch die Konkurrenz mitmachen. Zunächst darf die Hausgrille für folgende Lebensmittel verwendet werden:
- Back- und Teigwaren
- Pizza
- Chips und andere Kartoffelerzeugnisse
- Bier
- Saucen
- Kekse
- Nudeln
- Fleisch & Fleischersatzprodukten (enthalten ca. 5% Insektenpulver)
- Suppen und Suppenkonzentraten oder -pulver
- Schokoladenerzeugnissen
- Nüssen und Ölsaaten
Für Menschen, die sich vegetarisch oder sogar vegan ernähren, heißt es also künftig: Augen auf beim Einkauf! Einige Produkte dürfen künftig nicht mehr als „vegan“ gekennzeichnet werden, da sie tierische Inhaltsstoffe enthalten.
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Porridge zum Frühstück – mit Getreideschimmelkäfer
Auch für den Getreideschimmelkäfer hat sich eine Firma eine fünfjährige Exklusiv-Verwendung gesichert. Das aus den Niederlanden stammende Unternehmen Ynsect NL B. V. darf die Larven des Käfers getrocknet, pulverisiert, pastenartig oder gefroren in die Supermarktregale bringen. Und zwar in:
- Brot und Brötchen
- Getreide- und Frühstückswaren
- Porridge
- Teigwaren
- Molvenpulver
- Suppen
- Nudeln
- Pizza
- Snacks
Insekten in Lebensmitteln – ist der Verzehr tatsächlich unbedenklich?
Werden uns die Krabbeltierchen künftig also einfach untergejubelt? Nein – schließlich sind wir hier ja nicht im Dschungelcamp. Es liegt jedoch in der Hand der Verbraucher:innen, sich über die Zusammensetzung der Nahrungsmittel zu belesen. Produkte, die mit Käfern bedruckt sind oder lustige Namen tragen, wirst du wahrscheinlich nicht finden. Lebensmittel, die mit Insekten hergestellt wurden, müssen nicht auffällig bebildert oder beschriftet werden. Lediglich auf der Zutatenliste und im Inhaltsverzeichnis tauchen dann Bezeichnungen auf wie beispielsweise „getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Acheta domesticus (Hausgrille)“.
Doch ist Essen aus Insekten wirklich unbedenklich? Personen, die an einer Allergie gegen Krustentiere leiden, könnten auch auf Insekten in Lebensmitteln allergisch reagieren. Der Lebensmittelverband informiert darüber, dass „diese Zutat bei Verbraucherinnen und Verbrauchern, die bekanntermaßen gegen Krebstiere und Erzeugnisse daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann.“ Für Menschen ohne derart bekannte Allergien ist der Verzehr von Insekten nicht gefährlich.