Voluntourismus ist eine Reiseform, bei der du deinen Urlaub mit Freiwilligenarbeit verbindest. Eine gute Möglichkeit, die Welt auf nachhaltige Weise zu erkunden. Anja und Lars reisen von Projekt zu Projekt. Sie bezeichnen sich als „Vagateers“, eine Verbindung aus ‚Vagabond‘ und ‚Volunteers‘. Ein Interview.
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Freiwilligenarbeit: Die Vor- und Nachteile
Lars und Anja haben ihre Jobs an den Nagel gehängt und reisen um die Welt, um anderen zu helfen. Was sie dabei erleben und was dieser Lebensstil mitsichbringt.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, als Freiwillige durch die Welt zu reisen und euch im Ausland zu engagieren?
Lars: Wir arbeiten beide seit vielen Jahren in der Werbebranche. Irgendwann haben wir uns gefragt, ob es nicht Jobs gibt, die einen positiveren Einfluss auf die Welt haben. Solche, die wir uns als Kinder erträumt hatten, wie der Job eines Meeresbiologen oder Rangers.
Gleichzeitig wollten wir beide schon lange eine Weltreise machen. Also haben wir alles kombiniert: unseren Wunsch, einen positiven Beitrag in fremden Ländern zu leisten, einmal unsere Traumjobs auszuprobieren und eine Reise um den Globus zu machen.
In welchen Ländern und Projekten habt ihr bis jetzt ausgeholfen?
Lars: Unsere erste Station war Südafrika. Dort haben wir kein Volunteering gemacht, sondern eine sechsmonatige Ausbildung zu Safari-Guides. Während dieser Zeit haben wir gelernt, die Natur zu lesen wie ein Buch. In 17 Unterrichtsfächern von Tierverhalten über Geologie bis zur Sternenkunde haben wir alles über die Zusammenhänge der südafrikanischen Wildnis gelernt.
Nachdem wir die Abschlussprüfung bestanden hatten, waren wir selbst eine Woche lang im Krüger Nationalpark unterwegs und haben Elefanten, Löwen und Leoparden in freier Wildbahn beobachtet. Als der Sommer zu Ende ging, sind wir nach Kanada gereist und haben dort zunächst einen Monat lang auf einem Non-Profit Campingplatz gearbeitet.
Dort haben wir Gäste empfangen und den Platz instand gehalten, dazu gehörten auch unschönere Aufgaben wie die Toiletten zu putzen.
Unser Traumjob wird das sicher nicht werden, aber wir haben viele tolle Menschen kennengelernt. Das Schöne an dem Campingplatz war, dass er nur sehr wenig Geld pro Nacht gekostet hat. Dadurch betreibt John, der Besitzer, aktiven Naturschutz.
Denn er hat erkannt, dass sich nicht jede:r einen Stellplatz für 50 Dollar die Nacht leisten kann. Ihm ist es wichtiger, allen Menschen bezahlbaren Zugang zur Natur zu ermöglichen, anstatt große Gewinne zu erwirtschaften.
Anja: Danach sind wir nach Vancouver Island gefahren und haben im Permakultur-Garten eines jungen Paares gearbeitet. Die beiden haben einen alten Bauernhof gekauft und wollen dort nun nachhaltig Obst und Gemüse anpflanzen.
Lars: Ich persönlich konnte während dieses Aufenthalts eine Menge lernen. Ich fand es faszinierend, zu sehen, wie Permakultur funktioniert. Auf Hawaii haben wir dann einige Wochen in einem Agroforst mitgeholfen. Der funktionierte nach dem gleichen Prinzip des Permagartens in Kanada, nur eben in viel größer. Das war ein einziges Schlaraffenland, es gab Bäume voller Südfrüchte und Tiere, die den Boden düngten.
Anja: Momentan sind wir in Costa Rica und engagieren uns in einem Projekt zum Schutz der Meeresschildkröten.
Lars: Heute Morgen sind wir zum Beispiel den ganzen Strand entlanggelaufen und haben die Spuren der Schildkröten im Sand ausgelesen.
Wie geht ihr bei der Suche nach dem nächsten Einsatz vor? Gibt es bestimmte Anbieter, über, die ihr Freiwilligendienste im Ausland finden könnt?
Anja: Wir haben einige unserer Einsätze über die Plattfom „Workaway“ gefunden. Zum Beispiel die Arbeit auf dem Campingplatz oder im Permakultur-Garten. Auf der Website muss man sich einmal anmelden und bekommt für eine jährliche Gebühr von rund 50 Euro verschiedene Freiwilligendienste angezeigt.
Auch über die Plattfom „WWOOF“ haben wir Einsätze gefunden, hier dreht sich die Freiwilligenarbeit hauptsächlich um Einsätze auf Farmen. Mittlerweile bekommen wir auch über andere Freiwillige, die wir während unserer Reise getroffen haben, von Projekten zu hören.
Wie viele Stunden arbeitet ihr pro Woche, wenn ihr als Freiwillige im Einsatz seid?
Anja: Wir packen rund 20 Stunden pro Woche mit an. Meist bleiben wir circa einen Monat in einem Projekt. Im Gegenzug bekommen wir die Unterkunft und Mahlzeiten von unseren Gastgeber:innen gestellt.
Lars: Das Schöne an den Einsätzen ist, dass wir das Leben der Menschen vor Ort hautnah erleben und in unserer Freizeit dadurch viele geheime Spots bereisen können, die wir als normale Touristen vielleicht nie entdeckt hätten.
Wie sieht euer Leben aus, wenn ihr gerade einmal nicht als freiwillige Helfer:innen im Einsatz seid?
Anja: Dann nutzen wir unsere Zeit, um ein bisschen Urlaub zu machen und das Land kennenzulernen, indem wir gerade sind. Wir reisen nach dem Prinzip des Slow Travellings, schauen uns lieber weniger an und bleiben dafür länger an einem Ort. Um möglichst wenige Strecken mit dem Flugzeug zurückzulegen, haben wir uns einen Van gekauft.
Mit dem sind wir quer durch die USA und Lateinamerika bis hier her nach Costa Rica gefahren. Im Fokus unserer Reise stehen aber immer die Projekte, danach entscheiden wir, wohin es als Nächstes geht und planen die Route dazwischen.
Jetzt seid ihr schon über ein Jahr unterwegs. Bestimmt ist während der Zeit nicht immer alles perfekt gelaufen.
Anja: In Südafrika wollte ich bei einem Ehepaar im Kräutergarten aushelfen, während Lars eine weiterführende Ausbildung als Safari Trails Guide machte. Leider habe ich schon kurz nach meiner Ankunft bemerkt, dass sich die beiden ständig rassistisch äußerten und darüber hinaus Corona leugnen. Die Arbeit habe ich dann abgebrochen. Seitdem machen wir immer erst Videocalls mit den Leuten vor Ort, bevor wir uns für freiwillige Arbeitseinsätze entscheiden.
Wie sieht der weitere Plan aus? Welche Traumberufe und Projekte stehen noch auf der Liste?
Lars: Da gibt es noch einige. Wir würden gerne als Parkranger aushelfen, mit Orang-Utans arbeiten oder in einem Wiederaufforstungsprojekt helfen. Wie lange wir unsere Reise noch fortsetzen können, hängt von unserem Budget ab.
Unsere Wohnung und Jobs in Deutschland haben wir aufgegeben, also wer weiß – vielleicht verlieren wir am Ende unsere Herzen an eines der Länder auf der Welt und kommen gar nicht mehr nach Deutschland zurück. Das steht noch in den Sternen.
Als Volunteer durch die Welt reisen
Du möchtest auch um die Welt reisen, fremde Kulturen entdecken und dich dabei freiwillig in sozialen Projekten oder im Naturschutz engagieren? Dann starte dein Abenteuer als Voluntourist!
Voluntourismus Tipp 1 – Gute Vorbereitung
Bevor du deinen Voluntourismus-Aufenthalt startest, gibt es Einiges zu organisieren. Das Wichtigste ist, das passende Projekt für deine ehrenamtliche Arbeit zu finden. Dazu kannst du zum einen die Plattformen von öffentlichen Anbietern und Organisationen wie Workaway, Worldpackers oder WWOOF nutzen. Hier kannst du bei Familien, NGOs, Projekten im sozialen Bereich oder Projekten zum Schutz der Umwelt und biologischen Vielfalt mithelfen.
Oder du suchst dir für dein ehrenamtliches Engagement gezielt ein Projekt vor Ort und fragst direkt an, ob du dich als Volunteer mit einbringen kannst. Am besten, du trittst mit den lokalen Organisationen oder Menschen vor Ort schon frühzeitig in Kontakt. So kannst du alle Frage zur Arbeit und Unterkunft loswerden und ein Gefühl für deinen Aufenthalt bekommen.
Voluntourismus Tipp 2 – Mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt kommen
Nutze deine Zeit als Volunteer, um ein Land abseits des massenhaften Tourismus kennenzulernen. Während du Familien oder gemeinnützige Projekte unterstützt, hast du die Möglichkeit, den Alltag und die Kultur der lokalen Bevölkerung hautnah zu erfahren.
Beim gemeinsamen Essen lernst du die Kulinarik deines Gastlandes kennen und während deiner Freizeit kannst du die Lieblingsorte deiner Gastgeber:innen entdecken.
Voluntourismus Tipp 3 – Die richtige Balance zwischen Urlaub und Freiwilligenarbeit
Wie der Begriff Voluntourismus schon sagt, handelt es sich bei deinem Freiwilligendienst um eine Mischung aus freiwilligem Engagement und Urlaub. Im Fokus deines Aufenthalts sollte aber deine freiwillige Arbeit stehen und die Motivation, sich vor Ort einzubringen. Sinnvoll ist es, gleich ein paar Wochen als Volunteer zu helfen.
Denn dann hast du genügend Zeit, um dich einzuarbeiten und dein Wissen effizient einzusetzen. Achte aber auch darauf, ein Pensum von rund 20 Arbeitsstunden pro Woche nicht zu überschreiten.
Voluntourismus Tipp 4 – Das Engagement zu Hause fortsetzen
Mit dem Ende deines Einsatzes im Ausland oder auch in Deutschland muss dein Engagement nicht aufhören. Vielleicht kannst du dich auch von zu Hause aus für dein Herzensprojekt einsetzen. Zum Beispiel durch regelmäßige Spenden oder indem du andere Menschen zu freiwilligem Engagement inspirierst. Oder indem du Gelerntes zu Hause umsetzt – und zum Beispiel deinen eigenen nachhaltigen Permakultur-Garten anlegst.
Die Autorin des Artikels ist Katrin Brahner.
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