Sommerzeit ist Urlaubszeit – kleiner Floskel-Scherz. Aber tatsächlich zieht es viele gerade in die Ferne. Besonders gern wird mit der neuen Flamme verreist, die man sich während Corona über eine Dating-App angelacht hat. So suggeriert es zumindest meine Instagram-Timeline. Bei all dem jungen Liebesglück auf Mallorca kam ich ins Grübeln. Wie lief mein erster Urlaub mit Freund eigentlich? Ach ja, richtig! Es war eine einzige Katastrophe.
Der erste Urlaub mit Freund oder: Die Erwartungsfalle
Zu hohe Erwartungen an mich, mein Umfeld und das gesamte Leben zu stellen, ist mein Spezialgebiet. Erfahrungsgemäß bin ich damit aber gerade unter weiblichen Leserinnen nicht allein. Deshalb denke ich, schadet es nicht, einmal die Geschichte von meinem ersten Urlaub mit Freund zu erzählen. Wir sprechen dabei von meinem jetzigen Partner, der zwar nicht mein erster Freund ist, aber der erste, mit dem ich richtigen Urlaub mache.
Der erste Urlaub mit eben diesem Freund war ein Geschenk zu Weihnachten im ersten Jahr unserer Beziehung. Ein Wochenendtrip nach Italien (Ja, wir sind für zwei Tage nach Italien geflogen, weil wir vor sechs Jahren kleine Umweltschweine waren, aber es heute besser wissen). Jedenfalls war ich natürlich hin und weg und stand zudem ziemlich blöd da mit meinem Geschenk. Dabei handelte es sich nämlich um eine 13€-Handy-Halterung fürs Auto von Amazon. Daran sieht man ganz schön, dass manche Menschen in Beziehungen erst noch etwas wachsen müssen. Sei’s drum.
Wir flogen also nach Rom. Das Hotel – Entschuldigung, das Bed & Breakfast hatten wir zusammen ausgesucht. Es war nicht superbillig, aber preislich im Rahmen. Er musste schließlich alles bezahlen (es war ja ein Geschenk) und arbeitete selbst erst seit einigen Monaten Vollzeit. Wie das nun mal so ist, entsprachen allerdings die Bilder auf der Webseite nicht ganz der Realität des Zimmers. Also eigentlich gar nicht. Tatsächlich hatte ich ab dem Moment des Ankommens sehr, sehr schlechte Laune.
Da ist die Erwartungsfalle das erste Mal zugeschnappt. Mein Fehler war, dass ich mich nicht über die Tatsache gefreut habe, meinen ersten Urlaub mit Freund in Rom zu verbringen. Sondern dass ich mich stattdessen über die hässliche B&B-Einrichtung geärgert habe.
Und das Schlimmste daran: Ich hab’s meinen Freund spüren lassen. Dass er sich so viel Mühe gegeben hatte, das perfekte erste Weihnachtsgeschenk für mich zu finden und dass dieses Zimmer, so hässlich es war, viel Geld gekostet hat, habe ich schlicht nicht sehen können. Retrospektiv ärgere ich mich extrem darüber, dass ich damals nicht einfach jeden Aspekt der Reise genossen habe.
Die unendliche Urlaubs-Harmonie gibt es nicht. Höchstens auf Instagram
Und da gehts auch schon weiter in Sachen Erwartungs-Management. Niemand sollte von seinem ersten Urlaub mit dem Freund oder der Freundin grenzenlose Harmonie und romantische Gefühle ohne Ende erwarten. Das könnt ihr euch für Hollywood oder Instagram aufheben. Die Realität besteht viel eher aus 36 Grad im Schatten, lange Schlangen vor Sehenswürdigkeiten und Uneinigkeit darüber, ob Pizza oder Pasta gegessen wird.
Nun gibt es zwei Wege, mit solchen Situationen umzugehen. Option eins: Akzeptieren, dass ihr auch nur Menschen seid, dass 36 Grad einfach zu warm sind und dass es völlig okay ist, wenn ihr mal eine kleine Me Time-Pause braucht. Dann wird das kommuniziert, jeder isst seine Pizza oder geht eine Runde ins Museum und dann trefft ihr euch in neu gewonnener Energie zum Rotwein Trinken.
Oder Option zwei: Ihr macht es wie ich damals, schnappt ein, sobald irgendetwas nicht so verläuft, wie ihr es euch in eurer – Achtung – Erwartung ausgemalt hattet und schmollt vor euch hin. So lange, bis euer Partner die Schnauze voll hat und es einen riesen Streit gibt. Amore Mio, welch unnötiger Stress! Und das nur, weil mein 22-jähriges Ich ernsthaft geglaubt hat, der erste Urlaub mit Freund müsse so perfekt ablaufen wie im Film.
Und auch wenn ich mich heute für all die glücklichen Influencerinnen mit ihren Boys in Bella Italia freue – so richtig kaufe ich ihnen ihr Dauergrinsen nicht ab. Das Schöne an der Scheinwelt von Social Media und Film ist, dass man einfach ausschalten kann, wenn dunkle Wolken aufziehen. Mich dessen zu besinnen hilft mir heute, wenn die Erwartungsfalle wieder droht, zuzuschnappen. Dann zücke ich mein Handy, zwinge meinen genervten Freund vor die Kamera und mache schnell ein „Oh mein Gott, unser Leben ist so perfekt“- Selfie. Sollen sich doch die anderen ärgern.
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