In langjährigen Beziehungen sammeln sich schon mal ein- zwei Krisen an. Aber wer oder was bestimmt, ob man an ihnen wächst oder scheitert? Unsere Kolumnistin kennt sich aus mit Krisen – und mit dem Wachsen. Sie sagt: „Ohne Zwiegespräche gäbe es uns heute nicht mehr.“
„Das Zwiegespräch ist ein Beweis dafür, dass wir alle in Therapie gehören“
Mein Gott, was tut man nicht alles für die Liebe. Meine Beziehung raubt mir seit über sieben Jahren den letzten Nerv. Außer dann, wenn sie das Beste in meinem Leben ist. So ist das nun mal; ein ständiges Auf und Ab. Was haben wir nicht schon alles durchgemacht. Was habe ich nicht schon alles durchgemacht! Aber ein Leben ohne? Unvorstellbar.
Das Konzept Zwiegespräch kenne ich aus der Paartherapie. Genau, ich bin 28 Jahre alt und war schon mal in einer Paartherapie. Love it. Aber nun zum wichtigen Teil: Dank des Zwiegesprächs reichten einige wenige dieser absurd teuren Sitzungen, um fortan unseren Mist allein zu regeln. Wie gut es seitdem zwischen uns funktioniert, ist für mich ein weiterer Beweis dafür, dass praktisch alle Menschen in Therapie gehören.
„Die Regeln des Zwiegesprächs sind denkbar einfach“
Das Zwiegespräch kann man als eine Art autonome Paartherapie in den eigenen vier Wänden verstehen. In einer richtigen Therapie gewesen zu sein, hilft insofern, als man sich und den anderen schon etwas besser verstehen lernen konnte. Es fällt dann leichter, diese Art des Gesprächs auch ohne einen Unbeteiligten im Raum zu führen, ohne sich dabei komplett bescheuert vorzukommen.
Die Regeln des Zwiegesprächs sind denkbar einfach: Es gibt einen verbindlichen Termin, sei es wöchentlich oder monatlich, aber Tag und Uhrzeit sind fix. Anfänger:innen machen sich eine Flasche Wein auf; meine Erfahrung sagt, besser ohne. Denn es kann emotional werden, das ist auch Teil des Sinns der Sache. Feststeht, wie lange man redet: 60 oder 90 Minuten, das kommt auch darauf an, wie viel beide „auf dem Zettel“ haben.
Dann wird geredet. Aber nicht miteinander, sondern nacheinander. Jede:r bekommt einen festen Redeanteil. Ich finde zehn Minuten für den Anfang nicht schlecht. Dabei wird alles auf den Tisch gelegt, was die Zeit bis dahin unter den selbigen gefallen war, wofür im hektischen Alltag keine Zeit ist. Mir geht’s zurzeit so und so, das liegt an diesem und jenem und so weiter. Manchmal wird dabei ein Fass geöffnet, das dieses Konzept etwas aufbricht und das ist auch völlig okay. Am Ende sind das meist genau die Gespräche, die einen weiterbringen.
„Lass dem Mann sein verdammtes Seitenschläferkissen“
Ich habe eine kleine geheime Notizen-App auf dem Handy, in der alles Platz findet, womit mich mein Partner gerade wahnsinnig macht. Von Trivialitäten wie seinem ranzigen 1,80 Meter großen Seitenschläferkissen, das ich mehr hasse als alles andere auf der Welt, bis zu ernsthaften Zweifeln; Zweifel, die vorkommen, aber Zeit und Reflexion brauchen, um nicht zu zerstören.
Deshalb feiere ich das Konzept des Zwiegesprächs. Ich behalte alles, was ihn oder uns betrifft für mich bis zu unserem „Date“. Dann schaue ich mir meine Notizen an – die meisten davon sind in der Wut entstanden und hätten garantiert einen riesigen Streit ausgelöst, hätte ich sie laut ausgesprochen. Nun, mit dem nötigen Abstand, kann ich selektieren: Was verletzt mich noch immer? Welche Angst ist noch da? Was ist mir wirklich wichtig und was gehört in die Kategorie „Lass dem Mann sein verdammtes Seitenschläferkissen“?
„Hey, wie geht’s dir eigentlich?“
Ich habe in dieser Beziehung praktisch jede Krise durchlebt, die man sich vorstellen kann. Und ich war so oft davor, das Handtuch zu werfen und den Mistkerl vor die Tür zu setzen. Getan habe ich es nicht, weil er kein Mistkerl ist, sondern ein Mensch, der manchmal Fehler macht, genau wie ich, und weil er nun mal derjenige ist, an dessen Seite ich sein möchte.
Das Zwiegespräch hilft nicht nur mir zu filtern, was mir wichtig ist und Raum für diese Themen zu bekommen. Es hilft mir vor allem, meinen Partner zu verstehen, wie er denkt und wieso er manchmal tut, was er tut. Diese Gespräche haben unsere Beziehung gerettet, dessen bin ich überzeugt. Sie haben eine Nähe zwischen uns geschaffen, die uns nach sieben langen Jahren neu ist. Sie sind der Anker im Alltag, in dem man allzu oft vergisst zu fragen: „Hey, wie geht’s dir eigentlich?“
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