Vor kurzem bin ich mit einer Frage konfrontiert worden, die bei mir selbst schon völlig in Vergessenheit geraten ist. „Wieso gehst du eigentlich alleine reisen?“ Die Frage hat mich überrascht, obwohl ich diesen Trip nun schon seit nunmehr 8 Jahren mal aktiv, mal passiv plane. Das „Wieso, weshalb, warum“ habe ich in diesen Jahren völlig vergessen, bis ich mir die Frage erneut selbst stellen musste.
Ein Interview mit mir selbst: Wieso reise ich alleine?
Eine Antwort darauf, die über ein „Einfach, weil ich es möchte“, hinaus ging, fiel mir zunächst nicht ein. Dabei sollte es doch tausend Gründe geben, zu verreisen. Also habe ich mich dazu entschieden, eine Reise in meine Vergangenheit zu unternehmen. Um mir und allen anderen die Frage des Wieso’s zu beantworten.
Zeitreise: Tausend Gründe allein zu reisen
Wenn man die ganzen Reiseblogs von Frauen, die allein reisen, durchstöbert, findet man viele Gründe allein zu reisen. Und um ehrlich zu sein, habe ich in den letzten paar Monaten nichts anderes gemacht, als diese Blogs zu lesen. Die einen schreiben vom Drang, sich endlich frei zu fühlen, die anderen von einer Art Selbstfindungsreise, ihr kennt es vermutlich.
Aber handelt es sich bei mir wirklich um eine Art Selbstfindungstrip? Dieses Wort ist für mich irgendwie negativ behaftet. Denn zumindest ich habe bei der Vorstellung davon immer den Film Eat.Pray.Love mit Julia Roberts vor Augen. Ein großartiger Film, keine Frage. Doch können wir das allein Reisen wirklich so sehr romantisieren und werde ich wirklich nach zwei Monaten als völlig neuer Mensch wiederkommen? Vermutlich nicht. Trotzdem könnte man das Ganze auch als ein Weglaufen vor der Realität betrachten. Schließlich klopft meine Masterarbeit buchstäblich an meine Tür und wartet nur darauf von mir geschrieben zu werden. Der erste Impuls? Weglaufen.
Vom Ruhrpott-Trott in den Großstadtdschungel
Wenn ich also genauer hinschaue und überlege, wie alles angefangen hat, steckt mehr dahinter als nur ein Wunsch nach einem Tapetenwechsel. Ich bin im Ruhrpott aufgewachsen. Auch wenn unser geliebter Pott meiner Meinung nach viel zu häufig entweder romantisiert wird, à la #Ruhrpottromantik, oder für eine große Arbeiter:innen-Gesellschaft steht, kann ich der Gegend etwas abgewinnen. Doch trotz allem hatte ich schon immer das Gefühl: Es muss mehr geben als rauchende Schornsteine, Ruhrkohle-Museen und das Kopfschütteln meiner Verwandten, als ich ihnen eröffnete, dass ich studieren gehe, statt einen „richtigen Beruf“ zu erlernen.
Also zog es mich zunächst in die nächstgelegene Großstadt zum Studieren. Als arme Studentin reichte jedoch das Geld nicht für eine weite Reise. Und so war die Umgebung irgendwann genug und es folgte ein weiterführendes Studium in der Hauptstadt und Metropole: Berlin. Dann sollte es mit einem Auslandssemester weitergehen. Diese Pläne wurden jedoch durch ein Ereignis, was vermutlich allen Studierenden einen Strich durch jegliche Rechnungen machte, ganz schnell durchkreuzt: Die Pandemie. Und so vergingen die Jahre in Berlin, die maßgeblich daraus bestanden zu Hause vor den Laptop zu starren, zu studieren und zu arbeiten, alles in den eigenen vier Wänden. Bis ich auf einmal kurz vor dem Master stand und bemerkte, dass jetzt vielleicht die letzte Chance zum allein reisen dicht neben der Masterarbeit vor der Tür steht.
Allein reisen: Frag nicht “Wieso?”, frag “Wohin?”
Die Frage nach dem „Wieso“ habe ich damit allerdings immer noch nicht so ganz geklärt oder zumindest einfach auf ein: „Irgendwie wollte ich es schon immer“ erweitert. Doch wem versuche ich das eigentlich zu erklären? So romantisierend, wie es jetzt vielleicht klingt, vielleicht ist die Antwort darauf ganz einfach: Wenn man etwas tun möchte, sollte man es auch tun. Und so ging es in die Planung.
Meine Länderauswahl war genau so chaotisch wie die Planung. Zunächst geht es nach Skandinavien, dann nach Großbritannien in die Natur. Und zum Schluss nach Spanien: Denn was ist besser, als noch einmal mit der ehemaligen Mitbewohnerin zusammenzuziehen? Für mich steht fest: Das “Wieso, Weshalb, Warum” muss ich niemandem beantworten. Viel lieber möchte ich darüber sprechen, wohin mich die Reise führt.
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