Knarrende Fliesen, vergilbte Wandverzierungen und ein Hauch von Chlor liegt in der Luft – obwohl seit Jahrzehnten kein Wasser mehr durch die Becken fließt, lässt sich die Atmosphäre des damaligen Schwimmbades noch nachempfinden. Das Alte Stadtbad in Leipzig galt zu seiner Zeit als hochmoderne Wellnessoase – heute bröckelt hier der Putz von den Wänden. Doch genau das macht den Ort für alle Lost-Place-Fans und Historiker:innen umso interessanter. Die spannendsten Facts über das Alte Stadtbad!
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Das Alte Stadtbad Leipzig: Ein Ort voller Geschichte
Das Alte Stadtbad wurde nach Plänen des Leipziger Architekten und Stadtbaurates Otto Wilhelm Scharenberg als repräsentative Dreiflügelanlage unweit des Hauptbahnhofs gebaut.
Eröffnet wurde es zwischen 1913 und 1916 und galt damals als architektonisches Meisterwerk. Mit einer Mischung aus Jugendstil und Neobarock bot es nicht nur ein modernes Badeerlebnis, sondern war auch eines der modernsten Hallenbäder Europas.
Ein besonderes Highlight war das Wellenbad, in der 384 Quadratmeter großen Herrenhalle im Nordflügel – einst das größte Schwimmbecken der Stadt. Frauen durfte hier jedoch nicht schwimmen, sie mussten ihre Bahnen in einer separaten Schwimmhalle im Südflügel ziehen. Was heute kaum noch vorstellbar ist, war damals keine Seltenheit.
Besonders kurios: Sogar Hunde hatten ihr eigenes Schwimmbecken.
Auch das weitere Angebot setzte für die damalige Zeit neue Maßstäbe: Neben Wannen- und Schwitzbädern gab es galvanische und Vierzellenbäder, eine orthopädische Turnhalle, eine medizinische Wannenabteilung und ein Inhalatorium.
Im Obergeschoss befand sich die im maurischen Stil gestaltete Damensauna. Mit ihren Säulen, Bögen, Goldverzierungen, Arabesken und Mosaiken wirkte sie wie ein Ort aus 1001 Nacht – ein wahres Schmuckstück für Historiker:innen.
Die Schließung des Stadtbades
Während des Zweiten Weltkrieges blieb das Gebäude fast unversehrt, spielte jedoch in den darauffolgenden Jahrzehnten eine immer geringere Rolle im Alltag der Leipziger:innen. Im Jahr 2004 wurde das Bad schließlich aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen.
Heute ist das Alte Stadtbad ein faszinierender Lost Place, der Fotograf:innen, Urban Explorer:innen und Geschichtsinteressierte anzieht. Doch der Zahn der Zeit hat seine Spuren hinterlassen. Risse durchziehen die kunstvollen Wandfliesen, Deckenverzierungen blättern ab und die großen Schwimmhallen wirken verlassen.
Pläne für eine Sanierung gibt es schon lange, aber das Projekt wurde bislang nicht realisiert. So blieb der morbide Charme des Ortes bisher erhalten. Aus diesem Grund finden in den alten Gemäuern regelmäßig Veranstaltungen wie Tagungen, Seminare, Konzerte, Dinnershows oder Partys statt, heißt es auf der offiziellen Website des Leipziger Stadtbades.
Wichtige Hinweise für Besucher:innen
Ohne Genehmigung darf das Schwimmbad nicht betreten werden, da das Gebäude einsturzgefährdet ist. Wer das Gebäude dennoch besichtigen möchte, sollte an den offiziellen Führungen teilnehmen. Sie ermöglichen einen sicheren und legalen Einblick in die einzigartige Atmosphäre des Stadtbades.
Buchbar, zum Beispiel über urbexplorer, oder die Förderstiftung Leipziger Stadtbad. Letztere findet jeden ersten Sonntag im Monat um 11 Uhr statt. Die Führungen für Erwachsene kosten 10 Euro, eine vorherige Anmeldung ist erforderlich. Zusätzlich können individuelle Führungen zu einem Pauschalpreis von 120 Euro gebucht werden.
Ein Blick in die Zukunft
Angesichts des fortschreitenden Verfalls wurde im Jahr 2006 die unselbstständige Förderstiftung „Leipziger Stadtbad“ gegründet, initiiert von der kommunalen „Wasserwerke Leipzig GmbH“. Im Dezember 2009 erfolgte die Umwandlung in eine selbstständige Stiftung.
Ziel der gemeinnützigen Förderstiftung ist es, langfristig eine nachhaltige Lösung für den Erhalt des Leipziger Stadtbades zu erarbeiten und Mittel für die dringend notwendige Sanierung zu beschaffen. Damit soll das historische Juwel vor dem endgültigen Verfall bewahrt werden.