Tagsüber wirkt der Wald in Brieselang, einem kleinen Ort im Havelland westlich von Berlin, idyllisch. Vögel zwitschern, Sonnenstrahlen brechen durch die Baumkronen, und Spaziergänger:innen führen ihre Hunde aus. Doch wenn die Dämmerung einsetzt und der Nebel den Forst umhüllt, verwandelt sich der friedliche Wald in eine Szenerie des Schreckens.
Dann ist es nicht mehr weit, bis laute Schreie durch die Stille hallen und ein geheimnisvolles Licht zwischen den Bäumen flackert. Weiß, rot, grün – die Farben des sogenannten Irrlichts wechseln, ebenso wie seine Erscheinungsformen. Mal schwebt es sanft, mal flackert es hektisch. Seit den 1980er Jahren sorgt dieses Phänomen für Verwirrung – und zieht zahlreiche Tourist:innen an. Was steckt dahinter?
Brieselang: Legenden um das Irrlicht
Das „Irrlicht von Brieselang“ hat längst Kultstatus erreicht. Zahlreiche Geschichten ranken sich um das Phänomen, und jeder, der es gesehen haben will, erzählt eine andere Version. Einige glauben, das Licht sei eine Manifestation der verstorbenen Seele eines Bahnwärters, der einst den Zügen den Weg wies – obwohl der Bahnhof längst stillgelegt ist.
Andere behaupten, es handele sich um Überbleibsel geheimer militärischer Experimente. Oder um natürliche Faulgase, die in der Dunkelheit zum Leuchten gebracht werden. Doch am häufigsten wird von der tragischen Geschichte eines Mädchens erzählt: Elisabeth Wieja. Eine zwölfjährige Einwohnerin von Brieselang, soll 1945 von betrunkenen Soldaten der Roten Armee durch den Wald gelockt, vergewaltigt und ermordet worden sein.
Ein Verbrechen, über das in der DDR niemand sprach. Doch die Legende besagt, dass Elisabeths Geist noch heute keine Ruhe gefunden hat und verzweifelt durch den Wald wandert, auf der Suche nach Frieden.
Der Berliner Autor Günter F. Janßen hat sich dem Phänomen angenommen und versucht, die Geschichte von Elisabeth aufzuarbeiten, berichtet die Welt. Für ihn könnte das Irrlicht der symbolische Versuch sein, ihren Schreien Gehör zu verschaffen – Schreie, die der Nebel in Brieselang für diejenigen hörbar macht, die sich trauen, dem Licht nachzugehen.
Der Reiz des Schreckens
Für die Einheimischen ist das Irrlicht von Brieselang längst Teil des Alltags geworden. Einige lachen über die Erzählungen, andere ärgern sich über die neugierigen Tourist:innen, die besonders zu Halloween den Wald durchkämmen, auf der Suche nach dem ultimativen Nervenkitzel.
Was genau hinter dem mysteriösen Licht steckt, bleibt bis heute unklar. Wissenschaftler:innen sprechen von Faulgasen oder Reflexionen, Einheimische belächeln das Ganze. Und Gruselfans reisen weiterhin nach Brieselang, um das Irrlicht mit eigenen Augen zu sehen.
Doch ob man den Spuk nun als Scherz abtut oder dem Licht begegnet – eines ist sicher: Der Wald von Brieselang hat etwas, das sich schwer in Worte fassen lässt. Vielleicht ist es die Magie der unerklärlichen Dinge, die uns Menschen immer wieder in den Bann zieht.