Sabine Frank ist umgeben von Dunkelheit. Sie steht mitten im Biosphärenreservat Rhön. Das Naturschutzgebiet erstreckt sich über den Kernbereich der Rhön – einem Mittelgebirge, das sich durch das Dreiländereck Bayern-Hessen-Thüringen zieht. Um sie herum ist nichts als Natur: endlose Wiesen, versetzt mit Bäumen und Sträuchern.
Ihr Blick ist gen Himmel gerichtet. Fasziniert betrachtet sie den Sternenhimmel, der sich über ihr ausbreitet. Sie kann die Milchstraße sehen, zahlreiche Sternbilder: die Leier, den Schwan, Pegasus, Andromeda. Den Nachthimmel kann sie lesen wie eine Karte.
Vor der Dunkelheit fürchtet sich die 49-Jährige nicht. Im Gegenteil – wenn die Nacht hereinbricht, fühlt sie sich erst richtig wohl. Einen sogenannten Sternenpark zu besuchen, kann sie daher nur jedem empfehlen.
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Lichtverschmutzung lässt Sterne verschwinden
Sabine ist Leiterin des Sternenparks Rhön. Er erstreckt sich über das gesamte Gebiet des Biosphärenreservats. „Seit meiner Kindheit bin ich Sternenguckerin“, sagt sie. „Nicht technisch, mit teurem Teleskop. Durch das Teleskop betrachtet kann man nur einen sehr kleinen Himmelausschnitt beobachten. Ich beobachtete stattdessen das Ganze, Weite – so wie es die Menschen früher auch getan haben.“
Sie ist in Fulda geboren und hat dort an der Hochschule Sozial- und Kulturwissenschaften studiert. Astronomie war zunächst nur ein Hobby. Bis sie am Nachthimmel über ihrer Heimat eine Veränderung bemerkte: „Mir ist zunehmend aufgefallen, dass Sterne, die ich seit meiner Kindheit beobachte, fehlen. Und das sogar im ländlichen Raum in der Rhön.“
Dass Sterne für unsere Augen verschwinden, liegt an der zunehmenden Lichtverschmutzung.
Damit ist die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliches Licht gemeint. Zu Lichtverschmutzung kommt es durch nächtliche Beleuchtung wie Straßenlaternen, Flutlichtern in Stadien, Leuchtreklamen, beleuchtete Wege und Lichtern an Geschäften, Häusern und Unternehmen. Sabine wollte das nicht einfach so hinnehmen – und sagte der Lichtverschmutzung den Kampf an.
Sternenparks: Orte mit geringer Lichtverschmutzung
Das ist rund 15 Jahre her. „Damals bin ich durch die Parlamente der Rhön-Gemeinden in Hessen, Bayern und Thüringen getingelt und habe versucht, auf das Problem Lichtverschmutzung in der Region aufmerksam zu machen“, erinnert sich Sabine. Denn Lichtverschmutzung behindert nicht nur den Blick auf die Sterne.
Zu viel künstliches Licht beeinträchtigt auch die Lebensweise von Tieren. „Die Tierwelt hat kein Rollo“, sagt Sabine. „Kunstlicht beeinträchtigt oder zerstört Lebensräume und Lebensweise von tag- und nachtaktiven Arten, weil sich das Kunstlicht zum Beispiel auf den Hormonhaushalt auswirkt. Es wirkt als Barriere oder entzieht die lichtempfindlichen Insekten dem Naturraum.“
Ihr Plan: Das Biosphärenreservat Rhön zum offiziellen Sternenpark auszeichnen lassen. Das sind Orte, die vor Lichtverschmutzung geschützt werden. Wie Naturschutzgebiete für den Nachthimmel. Deshalb werden Sternenparks auch als Lichtschutzgebiete bezeichnet. In diesen Gebieten ist noch ein nahezu natürlich dunkler Sternenhimmel zu beobachten.
Sternenparks werden von der International Dark Sky Association (IDA) ausgezeichnet. Die Non-Profit-Organisation macht sich wie Sabine gegen Lichtverschmutzung stark. Städte und Gegenden, die sich als Lichtschutzgebiete eignen, können sich bei der IDA um die Auszeichnung als Sternenpark bzw. International Dark Sky Park, wie die Organisation sie nennt, bewerben.
Dafür müssen sie einige Kriterien erfüllen. Dark Sky Parks müssen öffentliches oder privates Land sein, das für die Menschen ganz oder teilweise zugänglich ist. Außerdem muss das Gebiet gesetzlich geschützt und im Vergleich zu umliegenden Gemeinden um einen festgelegten Richtwert dunkler sein. Das Zertifikat macht die Gebiete besonders attraktiv, lockt Besucher:innen an und erhöht so die Aufmerksamkeit rund um das Thema Lichtverschmutzung.
Im Sternenpark Rhön gibt es viel zu entdecken
2014 hatte Sabine ihr Ziel erreicht: Die International Dark Sky Association zeichnete das Biosphärenreservat Rhön als Sternenpark aus. Dafür hat Sabine 40 Kommunen im Umkreis überzeugt, ihre öffentliche Beleuchtung umweltverträglich umzurüsten. Zum Beispiel, indem sie warmes Licht wie bernsteinfarbene LEDs nutzen.
Seitdem engagiert sie sich hauptberuflich als Leiterin des Parks. „Der Sternenpark ist die Nachtseite des Biosphärenreservats“, sagt Sabine. „Für viele Tierarten ist er einer der letzten Rückzugsorte.“ Aber auch zahlreiche Besucherinnen und Besucher lockt die Aussicht auf die Sterne in die Region.
Denn im Schutz der Dunkelheit gibt es mehr zu entdecken, als man denkt. Bei Sternenführungen erzählen Sabine und ihr Team Wissenswertes über die natürliche Nachtlandschaft der Rhön, die Nacht als Lebensraum und das Sonnensystem. Außerdem hat Sabine fünf Himmelsschauplätze eingerichtet.
Dort laden Wellbänke ein, einen Moment innezuhalten und den Ausblick zu genießen. Tagsüber informieren Tafeln und Karten über den Sternenhimmel, aber auch Themen wie Lichtverschmutzung und Schutz der Natur. 2022 hat die IDA den Sternenpark Rhön als weltweiter Sternenpark des Jahres in der Kategorie Silber ausgezeichnet.
Sabine setzt sich weiterhin gegen die Lichtverschmutzung ein
Für Sabine ist ihre Mission im Namen der Nacht trotz des Erfolges noch nicht beendet. „Es ist ein dauerhafter Kampf, sich für das Thema Lichtverschmutzung starkzumachen“, sagt sie. Für sie bedeutet das, weiterhin durch Städte und Gemeinden zu touren, Vorträge zu halten, den Akteuren vor Ort zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Lichtverschmutzung zu verringern.
Oft fehle es aber noch an Verständnis für das Thema, sagt Sabine. Dabei würden schon kleine Schritte helfen. „Es geht darum, Licht zu vermeiden, wenn man es vermeiden kann. Wenn man Licht zum Beispiel in der Hofeinfahrt braucht, sollte es immer nach unten und nicht in die Horizontale gelenkt werden. Und man sollte bei künstlichen Lichtquellen warme Farbtöne nutzen – dann sieht es auch gleich viel freundlicher aus“, sagt sie.
Für sie ist der Einsatz für den Schutz der Dunkelheit Ehrensache. „Der Sternenhimmel ist Teil unserer Heimat“, sagt sie. „Es muss uns allen bewusst sein, dass die Naturnacht einzigartig und wertvoll ist.“
Die Sternenparks Deutschlands
Du willst noch mehr Sterne sehen? Außer dem Sternenpark Rhön hat die Dark Sky Association drei weitere Gebiete in Deutschland als offizielle Sternenparks zertifiziert.
Sternenpark 1 – Winklmoos-Alm in Bayern
Der Sternenpark Winklmoosalm liegt auf rund 1.200 Metern Höhe in den Chiemgauer Alpen. An klaren Nächten kannst du bis zu 6.000 Sterne am Himmelszelt beobachten – und gleichzeitig das Gebirgspanorama genießen. Zwischen Mai und November kannst du während einer Führung außerdem Wissenswertes über das All lernen. 2018 erfolgte die Zertifizierung als Dark Sky Park durch die IDA, damit ist der Sternenpark Winklmoosalm der erste Sternenpark in den Alpen.
Sternenpark 2 – Naturpark Westhavelland in Brandenburg
Der Naturpark Westhavelland wurde 2014 zum ersten offiziellen Sternenpark Deutschlands ernannt. Das Areal erstreckt sich über 1.380 Quadratkilometer und ist kostenlos zugänglich. Von neun Beobachtungsplätzen aus kannst du bei klaren Nächten die Milchstraße, Kometen, Sternschuppen und sogar die Raumstation ISS am Himmel sehen.
Sternenpark 3 – Nationalpark Eifel in Nordrhein-Westfalen
In der Eifel, einem Gebirge in Rheinland-Pfalz, erstreckt sich ein 110 Quadratkilometer großes Naturschutzgebiet. Dieses Gebiet ist von der Dark Sky Association auch als offizieller Sternenpark zertifiziert worden. Entweder du ziehst auf eigene Faust los, um Sternenbilder ausfindig zu machen oder du schließt dich einer nächtlichen Führung durch den Sternenpark Eifel an. Zudem findest du auf dem Gelände eine Sternwarte.
Die Autorin des Artikels ist Katrin Brahner.